Ich bin Rentner. Seit gut vier Jahren. Aber manche Sichtweisen meines alten Berufs werd’ ich nicht so schnell los. Will ich auch nicht. Ein Beispiel: Halbwegs regelmäßig verfolge ich eine Interview-Reihe des Blogs “BerlinTangoVibes”. https://berlintangovibes.com. Darin befragen Laura Knight, die Betreiberin, und die Autorin Lea Martin http://www.lea-martin.de, Laien und Profis aus der Tangoszene über ihre Erfahrungen und Gefühle in der “Epoca Corona”. Meistens lese ich das gern.
Gerade wurde eine Gesprächspartnerin so vorgestellt: “Sie wirbt – gemeinsam mit anderen Aktivem – für Spendenkampagnen von Tangoprofessionals, stellt finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten zusammen, hat an einem politischen Positionspapier mitgewirkt und verfolgt das Ziel, der Tangokultur insgesamt mehr politische Aufmerksamkeit zu verschaffen”. https://berlintangovibes.com/2020/07/04/wir-tragen-so-viel-bei-zu-einer-weltoffenen-gesellschaft/ Schön. Doch eins erfährt die geschätzte LeserInnenschaft nicht: Dass die “begeisterte Milonguera” Caroline Waldeck im Bundeskanzleramt arbeitet und dort als Redenschreiberin von Monika Grütters an der Formulierung und Vermarktung der Politik der Kulturstaatsministerin beteiligt ist. Ich hab’ mich zunächst nur gewundert – ohne aktiv zu werden
Immerhin reichten die Reste meiner professionellen Reflexe aus, Caroline mitzuteilen, dass ich mich “veralbert” fühle, wenn ich ihre Profession im Rahmen einer Vorstellung nicht mitgeteilt bekomme. Ihre Antwort:
„Das ist ein Aspekt, den ich am Tango sehr schätze: dass auf Milongas und im Tanz die Umarmung und Verbindung zählt und nicht, ob jemand diesen oder jenen Job hat, wieviel Status / Prestige damit verbunden ist oder auch nicht, und ob man in Sachen Politik, Religion oder was auch immer auf einer Linie liegt. In diesem Sinne verstehe ich auch Lauras Interviews: Ihre Fragen gelten dem Menschen im Tänzer/in der Tänzerin, und arbeiten sich nicht an Äußerlichkeiten und Rollen ab. Deshalb lese ich sie gerne. Fragen nach dem beruflichen Hintergrund habe ich persönlich bisher in keinem Interview vermisst, weil mich interessiert, was den Gesprächspartnern der Tango in ihrem Leben bedeutet.“
Laura und Lea machen ihre Sache gut. Auf ihre Weise. Ich hätte eine tangotanzende Mitarbeiterin der Bundesregierung anders befragt als eine tanzende Musikerin. Oder einen Rentner. Denn der “berufliche Hintergrund”, den Caroline bei den InterviewpartnerInnen nicht vermisst, steht steht für viele Tangoprofis und Soloselbständige im Vordergrund, wenn es um die Tätigkeit der Kulturstaatsministerin geht. Ihrer Chefin. Und die ist nicht eben unumstritten.
Ich hab’ mehr als 30 Jahre Journalismus in mir. Ich möchte wissen, ob jemand für die Regierung arbeitet, dessen/deren leidenschaftliche Tätigkeit für die Tangoszene ich bewundern soll. Ich zähle nicht zum “inner Circle” der Tangoszene Berlins. Muss ich auch nicht. Dass mir da eine wunderbare Fördererin des Tango ohne nähere Angaben nahe gebracht werden sollte, hat mich zunächst nur gewundert. Ich habe die Firma Google erst befragt, nachdem ich einen Hinweis bekommen hatte. https://carta.info/author/caroline-waldeck/
Dann habe ich bei Caroline selbst nachgefragt. Ohne Laura und Lea Konkurrenz machen zu wollen. Denn es ist ihr Interview. Das soll es auch bleiben. Aber die Leerstelle, die mich gestört hat – die wollte ich ausfüllen. Soviel Journalismus muss sein, auch wenn ich nur noch ein bloggender Rentner bin.
6 Comments
Tut mir leid, daß Du Dich veralbert fühlst, allerdings vor allem für Dich. Steht denn ihre Tätigkeit bei Monika Grütters in irgendeinem Interessenkonflikt zu ihrem Einsatz, dem Tango und seiner Zukunft bei den unterschiedlichsten politischen Akteuren Gehör zu verschaffen? Stellt die einfach zu ergoogelnde Information ihres Berufes, die ohnehin vielen Berliner Tangotänzern bekannt ist, ihr Engagement in irgendein anderes Licht?! Ich glaube nicht. Ich kenne nur sehr wenige Menschen, deren Formulierungsqualitäten uns eine vergleichbar unschätzbare Hilfe hätten sein können (ja, Du gehörst nicht dazu).
Und last but not least: Welcher Beruf einer/s Tangoliebhabers/in stellt in irgendeiner Weise die Zuschreibung als “begeisterte Milonguera” in Frage, was soll also dieses Zitat an genau dieser Stelle in genau diesem Satz in Deinem Text?
Ich bin enttäuscht.
Jeder muss tun, was er tun muss, lieber Thomas und das ist gut so.
Eine Klarstellung noch: Zwar machen Lea Martin und ich die Interviewreihe gemeinsam. Die Interviews führen wir jedoch in der Regel einzeln und das Interview mit Caroline habe ich geführt.
Ich sehe keinen Grund, warum ein ausschließlich privates Engagement mit beruflichen Hintergründen unterfüttert werden muss. Die BKM ist, wie jeder Profi-Journalist wissen sollte, für unsere subkulturelle Nische nicht zuständig.
Ich hoffe, Du findest bald bessere Themen. Oder wir schaffen es, dass irgendwann getanzt werden kann. Vielleicht willst Du ja mithelfen.
#weltkulturerbe #tangoretten
Ich sehe das nicht so schlimm, denn Caroline ist nicht her mistress voice. – Das einzige, was mich hier ärgert, ist der arrogante Kommentar von M. Sacher….
Ich taste mich gerade an meine Sammelantwort heran. Du passt nicht so recht rein, lieber Christian. ” Caroline ist nicht her mistress voice” schreibst du. Aber was, wenn nicht die Stimme ihrer Herrin ist eine Redenscheiberin?
Caroline Waldeck äußert sich in dem Artikel keineswegs lediglich “als Mensch bzw. Tänzerin”, sondern nimmt ausführlich Stellung zu einer politischen Initiative. Insofern hätte es mich auch interessiert, dass und wo sie ansonsten in der Politik aktiv ist. Vor allem, wenn es ein kulturpolitisches Feld ist. Insofern bin ich Thomas Kröter sehr dankbar für seine Recherche. Mein eh schon skeptischer Blick auf die “Retter des Weltkulturerbes” wird dadurch nicht positiver.