Wenn ich vor Jahren von den Standard- und Latein-Tänzen Zug um Zug zum Tango herüber geglitten bin, dann hatte das nicht zuletzt soziale Gründe. Die Ballroom-Szene wurde und wird von Paaren dominiert. Die fortgeschrittenen TänzerInnen bleiben meist in den Club-Klassen der ADTV-Schulen unter sich. Tanzabende oder nachmittägliche Tanztees, wo man nicht nur üben, sondern schlicht sich beim Tanzen amüsieren kann, gibt es immer weniger. Da meine Frau wegen ihrer Arbeit sehr früh aufstehen muss, bin ich darauf angewiesen, abends häufig allein loszuziehen.
Die erste Milonga, die ich ohne sie besuchte, fand und findet immer noch am Abend ihres regelmäßigen Gymnastik-Kurses statt. Als halbwegs fortgeschrittener Anfänger hatte ich es auch als Mann längere Zeit nicht leicht “reinzukommen”. Mehr als einmal hat mich eine Tanzpartnerin nach dem zweiten Stück einer Tanda stehen lassen. Damals bin ich außerhalb meines Kurses einmal in der Woche tanzen gewesen. Sieben Mal wollte ich mit dem blöden Tango aufhören. Mindestens… Aber die Sucht war stärker.
Daran hab’ ich mich erinnert, als neulich der Post einer Tänzerin auf Facebook einen rekordreifen Sturm von Reaktionen auslöste: Die Frau hatte berichtet, dass sie auf zwei Milongas in München von den platzhirschigen Herren ignoriert worden war. Eine Erfahrung, die offenbar viele Geschlechtsgenossinnen teilen. (*) “Fremde” Frauen haben in vielen, wenn nicht den meisten Tango-Veranstaltungen auch andernorts eher schlechte Karten – jedenfalls dann, wenn sie nicht den bekannten ästhetischen Ansprüchen älterer Herren genügen. Ich mag an dieser Stelle nicht in den Chor der Männer einfallen, die auf Facebook versuchten, den weiblichen Aufschrei zu relativieren. Mir geht es darum, das Blickfeld etwas zu erweitern.
Zunächst kann ich nicht umhin, von den bleibenden “Schäden” zu berichten, die meine frühen Tango-Erfahrungen hinterlassen haben. Die Erinnerung hält mich dazu an, regelmäßig Anfängerinnen aufzufordern und mit “Fremden” zu tanzen – obwohl ich ihre Fähigkeiten vorher nicht genau studiert habe, weil sie ja nicht zum Zuge kamen. Das eine kann manchmal etwas mühsam sein. Doch der Tanz mit nicht so erfahrenen Tangueras hilft mir, nicht nur einfacher, sondern auch exakter zu tanzen, klare Impulse zu geben und darauf zu achten, was bei meiner Partnerin ankommt und wie sie (re)agiert. Ich habe also durchaus etwas davon. Meistens.
“Dancing with Strangers” ist – kurz gesagt – wie eine Wundertüte. Sie enthält erstaunlich oft überaus positive Überraschungen. Sich in vier Tänzen auf eine neue Partnerin einzustellen, ist eine Herausforderung, der mich zu stellen, meistens belohnt wird. Und sei es nur durch gemeinsames Lachen, wenn es zunächst nicht so recht klappen mag. Aber die tänzerische Promiskuität ist es ja (sie oben), die ich beim Tango gesucht habe. Nicht die Perfektion. Wenn sich dann irgendwann der legendäre “Flow” einstellt, nach dem wir uns alle sehnen – umso besser!
Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass ich durch mein “Downdancing” (**) in der betreffenden Milonga für die ein oder andere “Highlevel- (und Highnose)”-Tänzerin nicht mehr in Frage komme. In diesem Personenkreis beobachte ich immer wieder eine Reihe von Damen, die ihr scheinbares Mauerblümchen-Dasein mit voller Absicht und einigem Stolz gewählt haben. Sie sitzen und warten, bis sie der Blick eines Tänzers ereilt, den sie ihrer für würdig erachten. Meist handelt es sich nicht um Unbekannte, sondern die um üblichen Verdächtigen. Es kann sein, dass diese Tangueras nach einigen Stunden und ein oder zwei Tandas auf der Pista zufrieden die Schuhe wechseln. Jedenfalls lassen sie sich das Gegenteil selten anmerken.
Sollte der ersehnte Peergroup-Gockel abwesend oder ihrer Mirada an diesem Abend ausgewichen sein, gerät die Souveränität selbst dieser gestählten Dancing-Queens gelegentlich ins Bröckeln. Da sie die Szene genau beobachten, entgeht ihnen allerdings auch nicht, wenn ein neuer Premium-Tänzer die Walstatt betritt. Plötzlich blitzt aus ihren Augen der Jagdinstinkt wie bei den Jungs angesichts einer jugendlichen Idealkombination von Rocksaum-Höhe und Dekollete´-Tiefe. Doch mag ihre Mirada von nun an auch die focussierte Dringlichkeit eines Flugabwehrscheinwerfers annehmen – nie würden sie das Objekt ihrer Begierde selbst “abschießen”. Das finale Kopfnicken bleibt Männersache. So viel Codigo muss sein.
Aber auch in der Highest-Society des Tango wächst offenbar die weibliche Unzufriedenheit. Neulich empfahl Melina Sedo, die “Empress of Encuentro” (***), den Damen, doch das Führen zu erlernen, weil es auch in diesen Kreisen für Frauen offenbar immer schwerer wird, zum Tanzen zu kommen. Ob es an ihrer wachsenden Überzahl liegt oder daran, dass die Männer die Nasen noch höher tragen… ich weiß es nicht, da ich nicht dazu gehöre. (****)
Womit ich bei meinem letzten Punkt wäre. Er hat nichts mit Genderei zu tun, sondern mit der mehrfachen Differenzierung oder besser: Fraktionierung der Tango-Szene. Mal sind die Grenzen musikalisch verbarrikadiert. Edo oder Neo – so lautet dann die Frage. Mal geht es um das Tanzniveau. Meistens aber funktioniert die Abgrenzung “geografisch”: Wer nicht “von hier” ist, hat mindestens als Frau in aller Regel ein oft massives Problem in einer anderen Stadt oder einer anderen Milonga. Aber auch für Männer sind Mauer und Stacheldraht nicht immer ohne Weiteres passierbar. Die einschlägigen Blogs sind voll von höchst elaborierten Erklärungen, warum es im angeblichen “social Dance” Tango keineswegs unsozial oder gar arrogant sein muss, nicht mit (wie meine Oma gesagt hätte) “Kreti und Pleti” zu tanzen. (*****)
Neugier, so scheint mir, ist nicht die wichtigste Tugend in einem gewichtigen Teil der Tango-Community. Das fängt schon bei der Musik an. Unabhängig von ihrem Geschlecht bewegen sich die meisten TänzerInnen am liebsten zu den gewohnten Klängen der Top-of-the-Pops des Gold-Ager Tango über die Pista. Fremde Menschen stören da eher. Mit dieser Enge hatte ich nicht gerechnet, als ich aus der eingeübten Welt von Foxtrott und Co. in die scheinbare Freiheit des Tango aufgebrochen bin. Auch nach zehn Jahren habe ich mich noch nicht daran gewöhnt.
(*) Facebook, Lisa Schönheinz, 18. März um 16:37,
Gerhard Riedl hat sich dazu in seinem Blog http://milongafuehrer.blogspot.com mehrfach geäußert.
(**) Den Ausdruck verdanke ich dem dem Blog “Berlin Tango Vibes” https://berlintangovibes.com/2018/08/15/down-dancing/
(***) Melina’s two cents, https://melinas-two-cent.blogspot.com/2019/03/long-due-post-on-gender-and-roles-in.html
(****) Ich hab mic zum Thema bereits mehrfach geäußert, unter anderem hier: http://kroestango.de/aktuelles/hola-chico-oder-darf-ich-bitten-mein-herr/
(*****) Zum Beispiel: Veronica Toumanova, Warum wir oft nicht wissen, was “sozial” bedeutet, http://www.jochenlueders.de/?p=10378
14 Comments
Lieber Thomas wieder trefflich formuliert und findet meine Zustimmung bei der Beschreibung der Phänomene. Nett „Flugabwehrsuchscheinwerfer“ für dringliche Miradas. Bei der Beschreibung der Ursachen scheint Deine einfühlende Phantasie und Fabulierlust gebremst zu sein. Ich glaube wir müssen anerkennen, dass die Motive zum Tango individuell sehr unterschiedlich sind. Vielleicht müssten wir, analog zu den Sinus-Milieus, da auch mal die Motivlandschaften erkunden, die zum Tango gehören. Es gäbe dann mindestens die Gruppen a) Äußerer sportlicher stark regulierter Leistungstango mehr Form wie Inhalt und b) innerer kontakt- und kommunikationsorientierter Genusstango. Dies wäre durch Befragungen tiefer zu erkunden. Ich zähle mich als Tänzer und DJ zu den letzteren und tanze gerne mit fremden Frauen und ermuntere in meiner Milonga mit z. T. grenzwertigen Interventionen andere Männer mal die oder jene zum Tango aufzufordern. Danke für Deine Akribie, in den verschiedenen Baustellen mut Wonne und Sprachgewalt zu wühlen.
Ich habe die Diskussion auch verfolgt und Gerhard Riedls Beiträge gelesen. Und gestern Abend musste ich wieder dran denken (und hatte viel Zeit dazu), als ich beim Lindyhop erst lange saß und dann einige Körbe bekam. Es scheint kein Tango-Privileg zu sein, dass “Social-dance” nicht so sozial ist. Ich erinnere mich an viele viele Salsa-Abende in Münster, wo ich sehr viel durch Zugucken lernen konnte. Sprach an diesem Abend mit einem sehr guten Tänzer aus Berlin, der sagte, so etwas habe er zuhause nie erlebt – auch er hatte mehrere Abfuhren bekommen.
Ich gehöre leider definitiv optisch nicht zu denen, die aufgefordert werden, obwohl sie nichtmal unbeschadet auf die Tanzfläche kommen. Wahrscheinlich ist es einfach nicht denkbar, dass eine Frau mit meinem Format tanzen kann (dicken Männern hingegen wird das ja nie abgesprochen). Oft sind meine Tanzpartner dann sehr überrascht, wenn sie merken, dass ich nach einer Stunde Lindyhop-Schnupperkurs keine größeren Probleme habe zu folgen (Dank fast 20 Jahren 10-Tanz-Erfahrung, mit Jive kommt man doch sehr weit), und fast immer bekomme ich sehr viel Musikalitet attestiert. Aber es hilft nix. Nächstes Mal ist es wieder dasselbe.
Ich hab es bislang immer drauf geschoben, dass ich eben noch nicht gut bin im Tango (entweder gut aussehen oder gut tanzen, eins von beidem muss erfüllt sein), insofern hat es mich beruhigt, dass dieses Schicksal auch normal-attraktive und gut tanzende Personen zu teilen scheinen. Immerhin. Frustrierend trotzdem. Oft kommt ja der Tipp: “Komm zur Practica, da wirst du total schnell besser!” Ich antworte dann immer ” Vom Zuschauen?” und dann wird es schnell ruhiger. Dass ich EdO-Musik nicht 2x pro Woche drei Stunden lang aushalte, macht es nicht besser. 😉
Hur som helst, eins habe ich gelernt: ich akzeptiere JEDE Aufforderung eines Anfängers, und ich werde sie IMMER motivierend anlächeln, weil ich genau weiß, wie Korbkriegen und Herumsitzen ist.
All das passiert übrigens im kleinen Umeå, in Nordschweden unterhalb des Polarkreises, wo man eigentlich froh sein könnte, wenn Nachwuchs heranwächst. Das einzige Mal, wo ich sofort ans Tanzen kam, war in Paris (!) auf einer “Alternative Milonga”. Damit hatte ich nicht gerechnet. 🙂
Danke fürs Zuhören und Grüße aus dem Norden.
Wenn das Auffordern nicht funktioniert, weil gerade “Männermangel” herrscht, dann zucke ich eher ergeben mit den Achseln als auffordernd mit dem Augenlid. Männermangel ist ein Frauenproblem, das von Frauen verursacht wird, die weder ein “Ausgleichsgewicht” mitbringen noch selbst in die führende Rolle gehen.
Wenn eine Milonga nicht funktioniert, weil der “Weit-Fortgeschrittenen-Aficionado-Kurs-F12” es sich an zwei Nachbartischen gemütlich gemacht hat, dann bevorzuge ich doch andere Milongas und bekomme von dem Elend zukünftig nur wenig mit.
Merke: “Mittelfristig tanzt jeder auf den Milongas, die er verdient hat”!
Klar, und sollte mal Frauenmangel herrschen, ist das eindeutig ein Männerproblem, da die ganzen beziehungsgestörten maskulinen Singles keine Frau mehr finden, welche sie auf eine Milonga begleitet. Und natürlich erlernen wir Kerle dann schleunigst das Folgen, gell?
Selbstverständlich ist umgekehrt auch Frauenmangel ein Männerproblem. Nur scheint es mir ein deutlich kleineres Problem zu sein, weil Tango für Frauen wesentlich attraktiver ist als für Männer. Da packt mann dann erstaunt seine Tangoschuhe ein und geht im Wiederholungsfalle eher mal einer anderen Freizeitbeschäftigung nach. Und ja, ich habe mich in so einer Situation, so selten ich sie auch erlebt habe, schon mal von einem Mann führen lassen. Wir leben ja in einer freien Gesellschaft.
Aus diesem Grund fahre ich in keine andere Stadt mehr zum Tango tanzen. Im heimischen Umfeld habe ich keine Probleme einen schönen tanzabend zu verbringen.
Aber sobald man fremdes Parkett betritt und das kann sein wo es will, ich habe es in Buenos aires Stuttgart Hamburg Venedig Malta ….erlebt, sitze ich nahezu den ganzen Abend rum. Kann ich was für die Angst der Männer eine schlechte Tanda zu erleben? Manche Männer behaupten sogar sie seien überfordert. In Italien ist es mir einmal gelungen das zu durchbrechen, indem ich offensiv um den
Raum gelaufen bin und selbst aufgefordert habe mit cabecceo.das war dein guter Abend. Aber erstens muss man innerlich dafür bereit sein um das zu durchbrechen und das gelingt nicht immer
Am schlimmsten finde ich es, wenn ich im ganzen Raum versuche Blickkontakt zustande zu kriegen, aber alle durch mich durch oder an mir vorbeisehen.
Es gibt sicher viele Männer und auch Frauen,die sagen das stimmt so nicht. Aber das ist meine Jahrzehnte lange Erfahrung und ist leider Realität.
Ich finde in den vielen Workshops müsste das immer thematisiert werden und von Anfang an in den Unterricht integriert sein. Es wird ja nicht nur mit Anhängerinnen so umgegangen. Mit Spannung – das finde ich ja schon ein übles Wort- kann man sich also nicht rausreden. Es verlangt ja auch nicht danach nur mit fremden Frauen oder Anhängerinnen zu tanzen. Aber ich erlebe in meinem tanzumfeld dass es viele Männer gibt, die mich jahrelang vom sehen kennen, aber nicht mal Hallo sagen können. Darauf angesprochen habe ich die Antwort erhalten: das könnte mich zu einem tanz verpflichten!
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.und die Antwort war von einem Psychologen.
Bei uns gibt es sogar eine Location, da hat mich der ” chef” noch nie mit einem Hallo begrüsst, obwohl da seit Jahren 1-2 mal in der Woche auf die milonga gehe.
Wenn also schon Fachlehrer nicht in der Lage sind einer Frau die geringste Form der Respekts mit einem Gruss entgegen zu bringen wie dann die Schüler.
Ich bin mir nicht sicher ist es nur Hochmut oder Unsicherheit?
Auf jeden Fall bin ich keine schlechte Tänzerin und sehe auch nicht furchtbar aus
Kritisch, witzig und äußerst treffend geschrieben… ich habe mich erstens beim Lesen köstlich unterhalten , und zweitens, dich in jedem Punkt nur bestätigen können .
Ein ganz kleines bisschen Gender Problem ist es aber auch, glaube ich… ich meine, wer gibt schon gerne zu, dass er sich effektiv in einer privilegierten Position befindet… Und noch mehr, wer in einer solchen Position möchte schon, dass man an diesen Grundprinzipien rüttelt? klar, man hat ja auch eine super Argumentation damit, dass das Spiel nun mal so läuft! Die sogenannten Spiel regeln kommen aber eben auch noch aus einer Zeit in der ist keine Gender Debatten gab , da die Stellungen der Geschlechter ganz klar festgelegt waren . Aber das ist ja wahrscheinlich auch der Grund warum heute dann doch offensichtlich so viele Frauen ein latentes Problem damit haben .
Hinzu kommt noch, dass sich im Schnitt die TangotänzerInnen schon recht gerne ziemlich ernst nehmen … was als Konsequenz leider mitsichbringt dass sehr viele sehr wenig über sich selbst lachen können, was es meines Erachtens allerdings braucht um erstens wirklich Spaß zu haben , und zweitens um Hürden/ Schwierigkeiten/ Fehler, die es immer mal geben kann, einfach nicht so gewichitg und dramatisch werden zu lassen… Schließlich ist man nicht beim Unterricht, sondern auf einer Tanz Veranstaltung!!! Hier sollten wir Spaß haben und offen sein!…Wäre doch irgendwie naheliegend, oder!?
Also nochmal… Toller Artikel!!
Lisa, ich persönlich sehe aktuell keine Privilegien, die beinharte Männer über Jahrhunderte zäh verteidigt haben.
Ich sehe Privilegien, die Frauen ganz offensiv ausloben, damit sie “ihre” tanzunwilligen Männer in einen Tangokurs und auf Milongas bekommen. Anders ausgedrückt: damit sie dort nicht mit Frauen tanzen müssen.
Oder sieht es so aus, als würden Frauen in Deutschland flächendeckend daran gehindert, in Tangokursen oder auf Milongas miteinander zu tanzen?
P.S.:
Ich vermute freilich, dass der aktuelle Gender-Zug an den „Best-Agern” des Tangos wirkungslos vorbeifahren wird … die entscheidenden Weichen im Berufsleben sind lange überfahren … sie räumen halt die Spülmaschine ein und aus … aber wenn “die Jugend” meint, dass ein Männer-Pissoir zahllose nicht-männliche Geschlechter diskriminiert, dann muss sie halt im Sitzen pinkeln wenn der letzte Baum gefällt ist. 😉
Thomas, mir fehlt ein Quellenverweis für den “angeblichen ‘social Dance'”, um den Kontext zu erkennen. Sichern irgendwo Milonga-Veranstalter das den Besuchern ihrer Milongas zu? Also man kann sicher Erwartungen hegen – aber Ansprüche erheben doch wohl allenfalls gegenüber dem Milonga-Veranstalter.
Und womit vergleichst Du denn “diese Enge”? Ich kenne absolut kein Hobby, mit dem man in fremden Städten derart schnell sehr engen Kontakt bekommen kann.
Ich kenne auch keine “Tango-Community”, deren Mitglieder sich allgemeingültige Regeln auferlegt hätten. Überhaupt, alle derartige Regeln werden von Menschen “erfunden” – sofern sie nicht von Gott verkündet wurden … und auch dann scheint es mir sehr fraglich. Auch im Tango-Umfeld versuchten viele Personen Regeln aufzustellen, zur Gemeinschaftsbildung ist das wohl erforderlich. Natürlich haben andere Personen andere Interessen und versuchen ebenso Regeln aufzustellen. Es gibt da für mich abstruse Versuche, etwa die “Tanzbarkeit” von Tangomusik vorzugeben, aber so läuft das halt. Und in jedem sozialen Umfeld werden die eigenen Handlungen von anderen wahrgenommen, bewertet, haben irgendwelche Folgen.
Ich persönlich suche mir Milongas aus, bei denen ich die Erwartung habe, dass ich mit Partnerin einen schönen Abend verbringen kann. Wenn das Auffordern auf einer Milonga für einen von uns nicht funktioniert, warum auch immer, dann endet der Abend früh – miteinander tanzen können wir bestens zuhause. Um in meiner Erwartungshaltung nicht zu oft enttäuscht zu werden bevorzuge ich persönlich Milongas, bei denen ein halbwegs ausgeglichenes Rollenverhältnis vorliegt und der Gastgeber präsent ist. Nebenbei sollte es bei guten Randbedingungen dann auch kein Kraftakt sein, eventuelle “unbegleitete Durchreisende” zu integrieren.
Lieber Thomas
Mit dem Video am Eingang hast Du einen feinen Akzent gesetzt. Dieser kleine Schmerz trifft Frauen, zumeist auch weniger junge, und Männer auf einer anderen Art.
Deinen Ausführungen kann ich nur zustimmen.
Was die “Geograhpie” und zuweilen das Soziotop angeht, darf noch angefügt werden, dass manN anfänglich (am Anfang seines Auftretens an einer Milonga) erstmals die Bekannten und Kolleginnen “zufrieden” stellen muss. Wenn diese alle einmal “abegtanzt”wurden, darf der gute Tänzer bei fremden Frauen Wagnisse eingehen.
Irgendwann und irgendwo im Blog fiel einmal das Zitat, dass wenn eine Frau eine falsche Entscheidung träfe, sie etwa 12 Minuten Lebenszeit dafür “opfern” müsse.
Mir ging dieser Satz später noch durch den Kopf und bei ernshafter Reflektion, kommt mir nur eine Schlussfolgerung: “Mir kommt das Kotz…” bei solch schalen Menschen und derlei dummen Aussagen. Lebenszeit verliert, wer an einer Maschine gebunden ist, im Rollstuhl gefesselt oder am Blindenstock. Lebenszeit verliert wer zu Unrecht in einem Gefängnis oder Lager sitzen muss. Aber 12 Minuten Tango?
Schliesslich noch einWort zur Damenwelt. Da Frauen bzgl. Partnerwahl selten eine eigenen Meinung haben, sondern eher nach links und rechts schauen, sich auf vermeintliche Referenzen beziehen (Tun Männer nicht`! Denn wenn ein Mann eine Frau attraktiv bzw. geil findet, lässt er sich das nicht ausreden), finden wir dies auch bei den charakterschwachen Tangueras. Die selbsternannten Könniginnen der Nacht, die privat meist ein Mauerblümchendasein pflegen, insistieren auf Referenzen, statt auf Freude und gutes Gelingen. Die meisten sind zu doof, einen guten Tänzer von einem Szenetänzer zu unterscheiden.
Aber es gibt auch die anderen Damen. Die eine die auf der “pöhsen” Männerskala eine glatte 10 ist und sich nicht beweisen muss und es gibt die “älteren” Tänzerinnen, die einfach nur “geil” tanzen kann. Ich spreche von Frauen, die den Unterschied zwischen Milonga, Tango, Vals nicht nur hören, sondern auch tanzen können und wollen. Ich spreche von Frauen die einen D’Arienzo und einen Di Sarli unterscheiden können.
Eine Frau, die nicht sitzen bleiben will hat m.E. folgende Optionen:
1. Sie ist jung und sieht gut aus…..
2. Sie tanzt wirklich gut! Soll heissen, sie besucht Workshops und Kurse (auch Einzelkurse) und möchte an sich arbeiten.
3. Sie weiss sich zu vernetzen. D.h. sie macht mit ein, zwei Bekannten ab, um erstmals ein paar Runden in der Milonga zu drehen. Das nehmen auch die anderen Männer wahr (allerdings erst nachdem…siehe Einleitung).
Nur ein schönes Kleid oder schicke Schuhe tun es eher nicht.
Robert, Robert, Robert – Du hantierst ja locker mit den Schubladen.
Wie kommst Du darauf, dass manN anfänglich die Bekannten und Kolleginnen “zufrieden” stellen muss?
Und wie konnstest Du vergessen, dass Frauen auch führen lernen und auffordern können wenn sie tanzen möchten?
Ich weiss, dass es politisch nicht korrekt klingt. Dennoch bleibe ich bei meiner Aussage, den sie beruht auf jahrzehntelange “Feldforschung” ohne hier ins Detail gehen zu wollen.
Ich denke nicht in Schubladen, aber ein paar Verallgemeinerungen müssen sein, die natürlich auch Ausnahmen beinhalten. Ich habe mich im Leben schon in vielen Szenen bewegt. Die Mechanismen des “Dazugehören” oder “Nicht dazugehören” schon oftmals gesehen und miterlebt. Dabei habe ich auch immer unterschieden zwischen Menschen mit Charakter und solchen, die anderen das Vordenken überlassen. Kleine Seitenbemerkung: Warum wohl haben so viele “Influencer” Erfolg? Und warum wohl lässt sich leicht eruieren, was die neueste Mode ist, vom Arschgeweih bis zu den knöchelfreien Socken?
Ich verurteile das nicht, finde aber in aller Regel Menschen interessanter, die etwas freier denken. Abgesehen davon mochte ich schon vor der “Tatoo-Ära” coole Typen (meist Rocker oder Rockabillies) mit ihren fantasievollen Tatoos, bevor es zum Hipe wurde und ich fand Typen spannend, die ohne Socken unterwegs waren, obwohl es damals ein “NoGo” war.
Warum also habe ich nochmals etwas weiter ausgeholt und auch die holde Weiblichkeit kritisiert? Weil das bei vielen Tangotänzerinnen nicht anders ist, ganz im Gegenteil viel schlimmer. Dieses Schwarmverhalten beobachte ich natürlich auch bei etlichen Tangotänzern.
Ich betone das Wort Tangotänzer/innen weil ich mittlerweile auch alternative Tango-Szenen in Buenos Aires gesehen habe, weil ich das Glück hatte wahre Tango-Liebhaber kennen zu lernen, neben Musikprofessoren sitzen durfte, als Legenden auf der Bühne spielten.
Ich liebe den Tango und die Kultur, in welche dieser eingebettet ist, einfach zu sehr, als das ich diesen den selbsternannten Szenetänzern überlassen möchte. Ich gönne jedem Menschen aus ganzem Herzen seine Freude am Tanzen, aber ich habe wenig übrig für das “Mitläufertum”. Denn ich habe schon gesehen, wie ganz nette Kolleginnen sich (fast wortwötlich) in irgendwelche Szene “eingeschleimt” haben und mitnichten zu besseren Tänzerinnen wurden.
Ich glaube es sind die Leute, die vor einigen Jahren auch einen Chicco Frumboli nicht vor der Haustüre gespuckt haben wollten, bevor er nicht richtig berühmt wurde. Heute seufzen sie “Ahhh und Ohhh” wenn er zwischen Lissabon und Moskau auftritt. 🙂 Das lässt sich aus Dokus von Frumboli himself heraus hören.
Und dass “sexy” Aussehen halt ein gutes Verkaufsargument ist bei den Doof-Männern ist ein Faktum, dass ich in der gesamten Gesellschaft manifestiert. Ich habe übrigens schon Tanzpartnerinnen gehabt, die der absolute Eye-Catcher des Abends waren, aber ich traf mich mit ihnen nicht deshalb, sondern weil sie grossherzige und talentierte Menschen waren/sind.
Dass Frauen führen lernen, finde ich wunderbar. Da gebe ich Dir recht. Just jene Damen, die wahre Freude an Musik und Tanz haben, nehmen das Zepter selbst in die Hand. Hört man den Erzählungen, die über die Pionierphase des Tangos kolportiert werden, sollen auch Männer immer wieder miteinander getanz haben.
Ausserdem ist in dieser Hinsicht auch die Szene von Buenos Aires sehr offen und völlig tolerant gegenüber Homopaare.