Ich hatte nichts mehr damit zu tun haben wollen, aber es geht wohl nicht. Nun haben sich die Veranstalter der international umstrittenen Petersburger Milonga gemeldet. Sie reklamieren den Grundsatz “Keine Diskriminierung” auch sich. Mit ihrer Interpretation des traditionellen Tangos” als Ausschluss gleichgeschlechtlicher TänzerInnen, wollen sie toleriert “werden. Ich sage dazu nichts weiter außer: Auf Facebook hat das Irina Fateeva gepostet. Es ist ein sehr langer Text auf russisch. Wie weit die automatische FB-Übersetzung nicht nur sachlich richtig ist, sondern auch ihren Ton trifft, weiß ich nicht. Wenn ich es richtig verstehe, sehen sich die Initatoren dieser Version des “Dia del Tago” nun als Opfer einer Kampagne, die nicht zuletzt von einer queeren Bewegung angezettelt worden sei. Wer sich nach dem Motto “Audiatur et altera pars” weiter mit der Causa beschäftigen möchte – bitte schön! Ich danke Andreas Lange, der mich auf die Stellungnahme aufmerksam gemacht hat.
Was für eine Entwicklung: Eigentlich hatte ich meine Berichterstattung zum Thema mit der folgenden, kursiv gesetzten Passage und einem Tanzvideo zu Musik von “Hyperion” beenden wollen, aber… es geht weiter: die Erklärung der Band ist an die 40 Mal auf Facebook geteilt worden. Es gib (Stand jetzt) rund 200 Kommentare (soweit ich sehe, die meisten negativ). Auch der meist in Berlin lebende Tango-DJ Guillermo Monti aus Buenos Aires hat seinen Auftritt in St. Petersburg inzwischen abgesagt. Seine Stellungnahme (auf Englisch) habe ich in den Kommentaren dokumentiert. Ersatz wurde nach seiner Darstellung bisher nicht gefunden. Wer wissen möchte, wie es weiter geht, sollte immer mal wieder auf die FB-Site von Hyperion schauen. Ein Punkt noch, weil das Thema hier auf FB angeschnitten wurde: In Russland ist Homophobie wohl erheblich weiter verbreitet als bei uns.Und es gibt ein Gesetz, das Werbung für sie mit Blick auf Minderjährige unter Strafe stellt. Aber es gibt keine Verpflichtung, Same-Sex-Tanzpaare von einer Milonga ausdrücklich auszuschließen. Der Veranstalter hätte kommentarlos einladen können – wen auch immer.
“Zum Abschluss eines bewegten Tages stelle ich meinem Text ein Video voran, das einen ungefähren Begriff davon geben soll, warum so viele aufgeschlossene TangotänzerInnen die Musik des Hyperion Ensemble lieben – nicht zuletzt wegen ihres besonderen Sounds mit dem I-Tüpfelchen einer Querflöte, die ihren Klang so unverwechselbar macht. Aber vor allem schätzen wir die Gruppe wegen ihrer hohen musikalischen Sensibilität, die uns immer wieder mitnimmt auf die Suche nach dem Wesen des Tango. Michelle Marsidi & Joachim Dietiker verleihen diesem komplexen Prozess den bezaubernden Schein einer ungeheuren Leichtigkeit. So, nach dieser für meine Verhältnisse ungewöhnlichen Eloge darf weiter, wieder und neu darüber gestritten werden, ob die Musiker jenseits ihrer Instrumente hinreichend Problembewusstsein gegenüber den weniger angenehmen Ecken der Welt des Tango an die Tag gelegt haben.
Manchmal gibt es seltsame Zufälle. Gerade folge ich mit großen Interesse den Reiseberichten einer Berliner Tangofreundin, die aus Anlass des Queer Tango Festivals nach Buenos Aires gefahren ist. Darin ist mehrfach von Liliana Furio die Rede, die in der Szene eine wichtige Rolle spielt. Über ihren Einsatz gegen den Machismo in der argentinischen Tangoszene hat sogar die New York Times berichtet Blog-Beiträge darüber von Gerhard Riedl und mir haben zu einer zum Teil wüsten Polemik vor allem in meiner FB-Chronik geführt.(2) Vom Schreckbild der Männer mordenden Feministinnen, das da spazieren geführt wurde, kann ich in KatLaTangueras Posts nichts finden.
Parallel dazu bin ich heute Nacht auf eine gemeinsame Erklärung der Mitglieder des Hyperion-Ensembles gestoßen, das demnächst eine kurze Russland Tournee macht – eine Gruppe, deren Musik ich überaus schätze. Ihr geplanter Auftritt in St.Petersburg hat im Vorfeld offenbar so heftige Kritik hervorgerufen, dass die Musiker sich zu einer Antwort genötigt sehen.
Hintergrund ist ein Vorfall, in St. Petersburg, der im vergangenen Dezember für weltweites Aufsehen in der Tangoszene geführt hat: Ein Frauen-Paar war der Pista verwiesen worden, weil der Tanz zweier Frauen angeblich nicht zum traditionellen Tango gehöre. Das war kein Versehen. Der Veranstalter steht dazu. In ihrer Erklärung begründen die Musiker ihre Haltung:
“1. Wir lieben es, zu spielen, wenn queere Menschen zu unserer Musik tanzen, wie es überall in Europa geschieht, wo auch immer wir seit 20 Jahren auftreten. 2. Wir können die Entscheidung über das Format einer Milonga nicht beeinflussen, die von einem Veranstalter mit seinem Geld gewählt wird. Es ist seine Entscheidung, nicht unsere, er ist der Hausherr. 3. Wir sind keine politische Partei oder ein Propaganda-Instrument.
Wir sind Künstler und Musiker, welche die Tango-Kultur auf der ganzen Welt verbreiten möchten. Deshalb hört mit der Polemik und den Beschuldigungen in dieser Angelegenheit auf. Ihr könnt selbst entscheiden, welche Position ihr dazu einnehmt. Verurteilt nicht andere! ” (2)
Weitere Kommentare lehnt die Gruppe ab. Wie nicht verwunderlich, hält die Kritik an der Entscheidung an. Mit ihrer Verteidigungs-Erklärung hat die Gruppe sie sogar noch befeuert.
Denn danach schauten sich ebenfalls über Nacht immer mehr Tango-Fans die Einladung aus Petersburg zu einem Fest zum “Tag des Tango” (der Geburtstag von Julio de Caro und Carlos Gardel am 12.Dezember), genauer an. Auf diese Weise konnten sie die Werbung der Veranstalter in Internet sehen. Darin heißt es, dass es sich um ein total “traditionelles” Ereignis handele. Dort tanzten nur Männer mit Frauen und Frauen mit Männern. Die Männer führten die Frauen. Aufgefordert werde ausschließlich von den Männern. So sei das nun einmal. (Meine Wiedergabe der automatischen -Übersetzung aus dem Russischen).
Mona Isabelle Schröter, die Betreiberin des Berliner Tangoloft, hat einen offenen Brief an das Hyperion-Ensemble verfasst, in dem es unter anderem heißt:
” Liebes Hyperion Ensemble, ich bin ein großer Fan Eurer Musik. Aber ihr müsst aufpassen, wo ihr spielt und welche Weltanschauung die Organisatoren repräsentieren. Ich finde es absolut diskriminierend, wenn auch heute noch gleichgeschlechtliche Tanzpartner aus einer Milonga verbannt werden. Diese Art von Veranstaltungen, die geprägt sind von Diskriminierung und Homphobie, verborgen unter der Maske des traditionellen Tango, ist absolut inakzeptabel in unserem 21.Jahrhundert.”
Der BerlinerTango DJ-Francesco Cieschi verhielt sich frühzeitig anders als die Musiker. Er lehnte die Einladung bereits im März höflich, aber bestimmt ab und schloss einen Appell an die Tango-Community und seine KollegInnen an:
“Unterstützt keine Homophobie oder Machismo. Arbeitet nicht für oder mit homophoben oder machistischen Leuten. Nehmt nicht an Veranstaltungen Teil, auf denen es Homophophie und/oder Machismus gibt oder sie auch nur propagiert werden… Meldet Euch zu Wort! Die Welt des Tango ist nicht perfekt, aber wir machen sie Besser. Und sie ist schon viel besser als vor ein paar Jahren. Lasst uns in dieser Richtung voranschreiten!” (Übertragung von mir.)
Auf FB dokumentierte er seine Antwort an die Veranstalter. Francesco hat es in kurzer Zeit auch international zu großem Renommee in der Szene gebracht. Er legt strikt klassisch auf. In Berlin ist er besonders bei jüngeren Tango-TänzerInnen beliebt.
Ich weiß nicht, ob sich jemand gegen seine Engführung von Machismo und Homophobie wehren mag. Ich finde: Er hat recht. Das eine ist eine extreme Fortführung des anderen. Was die Haltung des Hyperion-Ensembles angeht: Ist es zuviel verlangt von Musikern, in großen gesellschaftlichen Streitfragen Position zu beziehen? Niemand zwingt sie, irgendwo aufzutreten. Müssen sie mit ihrem internationalen Ruf wirklich jedes Engagement annehmen? Tun sie es aber, müssen sie auch mit der Kritik daran leben.
Toleranz gegenüber anders Denkenden, anders Lebenden? Ein dickes Ja – selbst wenn es manchmal schwer fallen sollte. Aber Toleranz gegenüber dem Ressentiment, das Menschen aus der Gemeinschaft des Tango ausschließen möchte, weil sie anders leben, lieben, tanzen als die meisten? Ein ebenso dickes Nein! Ausweislich der Komentarlage auf FB ist das nicht nur meine Meinung.
Wir sollten allerdings in unserer Debatte auch den Respekt vor den Musikern nicht vergessen und den möglicherweise verständlichen Grund für ihre Motive mindestens zur Kenntnis nehmen. In Russland ist Homophobie weiter verbreitet als anderdwo. Wenn ich die Indizien im Internet richtig deute, gibt es dort aber einen expandierenden Tango-Markt, auf dem das Geld lockerer zu sitzen scheint als hierzulande und gerade in Berlin. Wir wissen nicht, wann und auf welcher Informationsbasis “Hyperion” sich vertraglich an die Veranstalter in St. Petersburg gebunden hat. Eine Absage könnte mit erheblichen finanziellen Folgen verbunden sei.
Doch professionelle Tango-Musikgruppen zu finanzieren, zumal von von mehr als Quartett-Stärke, ist äußerst schwierig. In Berlin ist vor Jahren der Versuch gescheitert, ein großes “Orchesta tipica” zusammen zu halten. Es hieß “Sabor al Tango”. Zu den Initiatoren gehörte Michael Dolak, der Bandoneonist des heute erfolgreichen”Quarteto Rotterdem”. In seinem Kommentar zu meiner Ankündigung der ersten Fassung dieses Artikels gibt er zu Bedenken:
“Ich finde es unverantwortlich als Begründung seiner eigenen Homophobie eine frei erfundene “Tradition” vorzuschieben. Ich warne jedoch davor das Hyperion ensemble und seine Mitglieder vorschnell zu verurteilen und in irgendeine Ecke zu schieben – neben … möglichen juristischen Konsequenzen können sich wohl die wenigsten eine Vorstellung der wirtschaftlichen Zwänge eines professionellen Tango-Ensembles und seiner Mitglieder machen und was es überhaupt bedeutet als (Tango-)Musiker zu (über)leben. Erst recht in den heutigen Zeiten wo zwischen den überhandnehmenden Marathons und Encuentros (natürlich ohne Live-Musik…) auf der einen Seite und dem Unwillen vieler Tänzer und Tänzerinnen bei Milongas mit Live-Musik einen leicht erhöhten Eintritt zu zahlen auf der anderen Seite die Live-Musik vom Aussterben bedroht ist…”
Ein-Mann/Frau-Unternehmen wie DJs haben es da einfacher.
Zum Schluss kann ich mir allerdings etwas Deftiges nicht verkneifen. Die international operierende Tango-Lehrerin und Bloggerin Veronica Toumanova pflegt sich normalerweise höchst differenziert und gewählt auszudrücken. Zur homophoben Umwertung der Codigos des klassischen Tango a` la St. Petersburg hat Gerhard Riedl ein deftiges Zitat von ihr gefunden, das es nach meiner Meinung verdient, an dieser Stelle wiederholt zu werden:
„Wenn Sie gleichgeschlechtliche Paare von der Tanzfläche verdrängen, verteidigen Sie keine heilige Essenz, sondern sind ein Arsch.“
(*) Dazu zwei Mal Showtime mit je einem Frauen- & einem Männerpaar sehr unterschiedlicher Art..
(1) http://kroestango.de/fundstuecke/fundstuecke-cabeceo-kann-aber-muss-nicht/, https://www.nytimes.com/2019/10/05/world/americas/argentina-tango-gender.html , http://milongafuehrer.blogspot.com/2019/10/eine-karikatur-des-patriarchiats.html , http://milongafuehrer.blogspot.com/2019/10/wo-der-mann-noch-macho-sein-kann.html , http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/12/tango4all.html , http://milongafuehrer.blogspot.com/2019/01/deutliches-von-toumanova.html
(2) Hyperion Ensemble, Fb 25. 11. 2019, Übertragung von mir.
20 Comments
DANKE für diesen engagierten Beitrag, dem ich mich vollherzig und wachköpfig gerne anschließe !!!
Jeder darf tanzen, mit wer er oder sie will, ob Straits, quer, rot, schwarz, weiß, hellblau mit rosa Punkten- jeder und jederzeit!
Lieber Thomas gut dokumentiert und raisoniert. Zustimmung!
Wichtig ist mir auf den „systemischen“ Zusammenhang von Homophobie/Machismo einerseits und der konservativen Bewegung „Argentinidad/Encuentro-Elite/Codigowut andererseits hinzuweisen. Die Ordnungsfanatiker, die alles kreatürliche, körperliche und leicht anarchische im Tango domestizieren wollen.
Zwar getraut sich (noch?) kaum einer im Westen gleichgeschlechtliche Paare zu verbieten, doch der Schoß der kontrollierenden Tangodogmatik ist äußerst fruchtbar…. Wir werden staunen, was es noch alles gibt. Zumal wir ja aus diversen FB-Posts von Tangofreunden eine zwar intellektuel aufgehübschte, jedoch deutliche -sagen wir mal
– nationalkonservative, antiislamische, antiintellektuelle Position antreffen. Wenn sich dieses dann irgendwann in „Tangocodigos“ getraut auszudrücken, das „Sagbare“ ausgeweitet wird, dann haben wir einen verstärkt auftretenden dynamischen „Kulturkampf “ im Tango. Aber warum soll es bei uns in der Scene anders sein, wie in der übrigen Gesellschaft.
Lass uns daher, jeder an seinem Platz, dafür sorgen, dass Offenheit, Toleranz und die Vielfalt des Lebens in allen Dimensionen Platz in unseren Milongas und in der Gesellschaft hat.
Vielen Dank Christian, Fridolin und Tom, dass Ihr nicht nur auf Facebook, sondern auch hier kommentiert habt. Und über das Lob freu ich mich selbstverständlich auch.
Seit dem ursprünglichen Vorfall im letzten Jahr ist im Umkreis von 1000km rund um den deutschsprachigen Raum nichts bekannt geworden, auf das wir unsere diesbezüglichen Grundwerte, unsere Vorstellungen und auch unsere unterschwelligen Aggressionen hätten projezieren können. In dieser Hinsicht sollten wir den armen Musikern dankbar sein, dass sie uns noch einen zweiten Aufguss ermöglichen.
Ich nehme einen gewissen Sarkasmus in Deinem Beitrag wahr, lieber Martin. Aber die Richtung ist mir noch nicht ganz klar. Meinst Du, dass wir Deutschen mal wieder einmal unseren angeblich besonderen Moralismus anderen aufdrängen wollen? Veronica Toumanova, um nur eine Stimme zu nennen, ist nachweislich keine Deutsche. Und die Empörung über die “Petersburger Schlittenfahrt” ist im im Netz mit Blick auf beide “Aufgüsse” auch ohne deutsche Beteiligung groß genug – was auf ein reales Problem schließen lässt.
Nun, Thomas, ich denke die Sache ist pure Ablenkung, eine Projektionsfläche, ein Ersatz für eigenes Handeln. Wer hier gleichgeschlechtlich tanzen möchte, der kann das tun. Und wer sich darin gehindert sieht, der kann das aufzeigen. Oder nicht (mehr)?
Und wenn jemand meint, wegen einer schrägen Milonga in Russland (in Argentinien sowieso) stehen die Werte des Tangos (welche?) auf dem Spiel und die Schwestern&Brüder in Russland bedürfen unseres entschlossenen solidarischen Handelns, der nehme sich einen Zug dorthin oder ein Fieberthermometer.
Du unterschätzt die lokalen Auswirkungen solcher internationalen Entwicklungen. Das Signal der internationalen Community lautet: Diskriminierung ist inakzeptabel.
Entsprechend passen auch hiesige Veranstalter von Marathons und Encuentros (still und leise) ihre Anmeldeformulare von “Frau”/”Mann” auf “Führend”/”Folgend” an.
Keine Toleranz für Diskriminierung oder, um es mit Karl Popper zu sagen:
‘Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.’
Kompliment, ein hochinteressantes Thema! In der aktualisierten Fassung werden glücklicherweise einige weitere Aspekte angesprochen, die hierbei sicherlich auch eine Rolle spielen, Wir wissen halt nicht genau, wie der Ablauf dieser Buchung im Einzelnen vor sich ging.
Lieber Thomas, du wirst sicherlich verstehen, wenn ich demnächst auf meinem Blog dazu Stellung nehme.
Herzlichen Dank für diesen Text!
Dank fürs Kompliment, lieber Gerhard Riedl. Die “zweite Auflage” war diesmal nötig, weil ich nicht wieder zuschaun wollte, wie Du ein Thema aufgreifst, dass ich auch gesehn hatte, aber zu träge war. Deshalb hab ich mich der alten journalistischen Tugend der Schnelligkeit erinnert. Da kann es schon einmal nötig sein, inhaltlich nach zu fassen. Ich bin gespannt auf Deinen Zugriff. Das Problem verträgt durchaus mehrfache Behandlung.
So ein großes Echo wie auf diesen Beitrag hatte ich schon lange nicht mehr. Dass es hauptsächlich auf Facebook zu finden ist – so isses nun einmal. Egal wo, ich freue mich über die ebenso notwendige wie intensive Debatte. Schlaflos surfend surfend, stoße ich plötzlich an allen möglichen FB-Ecken und Enden auf das Gender-Thema. Ohne Bezug auf meinen Text. Aber auch ohne auf den Anlass in St. Petersburg eingehend. Dass er (nicht ich) den aktuellen Anstoß gab, erscheint mir dennoch ziemlich wahrscheinlich. Vielleicht haben die Jungs von Hyperion ja mit brecht’scher List gehandelt – ihre Gage nicht in Gefahr gebracht und dennoch die Diskussion befeuert. Gehen wir also a bisserl sanfter mit ihnen um… gute Nacht allerseits!
Wenn ich mir die zahlreichen Kommentare auf der fb-Seite des Orchestern anschaue, dann ist das Signal der internationalen Tango-Community ziemlich eindeutig:
1. Diskriminierung ist inakzeptabel
2. Wir schauen ganz genau hin, wer welche Veranstaltung unterstützt
3. Mit dünnen Argumenten lassen wir uns nicht abspeisen
Sehr zu begrüßen!
Gruß Tom
1. “Wer beim Tangotanzen an Sex denkt, respektiert den Partner nicht”, hat uns Javier Rodriguez gestern im Kurs gesagt. Ich gehe sogar noch weiter und sage: Wer beim Tangotanzen an Sex denkt, respektiert den Tango nicht. Offenbar denkt der Veranstalter beim Tango an (homoerotischen) Sex. Mit Tradition hat das rein gar nichts zu tun.
2. finde ich Ausgrenzung schlecht, auf welche Art auch immer. Sei es, dass man gleichgeschlechtliche Paare ausgrenzt. Sei es, dass man Organisatoren ausgrenzt, weil sie gleichgeschlechtliche Paare ausgrenzen. Sei es, dass man Orchester ausgrenzt, weil sie auf Veranstaltungen spielen, die von ausgrenzenden Organisatoren organisiert werden. Ausgrenzung bleibt Ausgrenzung. Und wie auch in anderen Bereichen im Tango ist es IMHO ein Fehler zu denken, man könne den einen Fehler durch andere Fehler kompensieren.
zu 2.: Toleranz hört da auf, wo Diskriminierung beginnt.
Orchester, Showtänzer und DJs sind wesentlicher Teil einer Veranstaltung. Dass man als wesentlicher Bestandteil einer Veranstaltung rein unpolitischer Dienstleister sein könnte, ist m.E. ein problematischer Irrglaube -> “Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken!”
PS Davon abgesehen habe ich sehr wohl im herrlichen St. Petersburg/Leningrad in einer Milonga gleichgeschlechtliche Paare tanzen sehen. Und alle waren cool. Also auch dort Diversivität. Es gibt dort keine homogene Scene und gerade St. Petersburg ist eher westlich orientiert. Von daher müssen die Veranstalter dort besonders harte Socken sein.
GUILLERMO MONTI hat seine Teilnahme inzwischen abgesagt. Er hat mich autorisiert, seine FB- Stellungnahme hier wieder zu geben: ” Im de DJ for this night, and I said to the organizer I will not go to SPB to DJ in your milonga if you don´t change the rules. Its not acceptable in any case, EL TANGO ES EL TANGO and not matter your gender. Good rules are cabezeo, respect, ronda, dress code totally acceptable, BUT discrimination its not acceptable. We have in Buenos Aires a time when the mens went to dance with prostitutes in the burdels, and took us lot a years to change this idea. Now, tango is a Social dance, and everybody choose with who want to dance. I will decline my participation if they dont change the rules. And I never was in San Petesburg, I have a big expectation to visist the city and DJ there, and get some money, but, you know my principles, are strong in this case.”
Endlich tut sich etwas, freue mich auch eindeutige Standpunkt wie vom DJ Monti!
In ganz Europa tanzt jeder so Tango, wie er kann und mag. In ganz Europa ? Nein, auf einer Milonga in einer russischen Metropole hört man nicht auf, dem Werteverfall und Sodom & Gomorrah Widerstand zu leisten…
Ironie off.
Aber mal im Ernst: warum soll nicht der Veranstalter einer privaten Milonga seine eigenen Regeln machen dürfen, und wenn sie noch so engstirnig und traditionsvergessen sind? Es scheint ja zumindest den Bedarf zu geben. Solange es genügend andere Milongas gibt und die Regeln vorher sogar angekündigt werden, wird fast keinem etwas genommen.
Moin Dirk!
In dem Fall geht’s nicht um eine private Veranstaltung, sondern um eine mit öffentlichem Kartenverkauf.
Da sind die Maßstäbe dann schon andere als bei einer privaten Milonga.
Gruß Tom