Es wird Zeit; einmal wieder diese lange vernachlässigten Rubrik meines Blogs zu bespielen: Fundstücke. Aus alter Anhänglichkeit treibe ich mich gelegentlich in Gegenden des Internets herum, wo Videos mit Standardtänzen zu finden sind. Meist bestätigen mich die Funde in meiner Auffassung: Die Epoca d’Oro des Ballroom-Dancing ist längst vorbei. Zu viel Sport.Zu wenig Tanz. Begeistern können mich dagegen Jahrzehnte alte Vorführungen – vor allem wegen ihrer Eleganz. Ein Fund aus früheren Zeiten hat Gerhard Riedl neulich so begeistert, dass er ihm einen eignen Beitrag in seinem Blog gewidmet hat. (*)
Ich bin kein Spezialist. Deshalb war mir die Bedeutung des darin gezeigten Paares so wenig geläufig wie die meiner heutigen Protagonisten – zu Beginn der 1960er Jahr dreimalige Profi-Weltmeister in den Lateinamerikanischen Tänzen: Walter Laird und Lorraine Reynolds. Er war so etwas wie der Pate des Latin Dancing, hab ich inzwischen gelernt; außerdem Autor eines bis heute geschätzten Lehrbuchs. (**) Bei den Latein-Tänzen schalte ich normalerweise sofort weiter. Elegant finde ich da in aller Regel nichts, bloß: Höher schneller weiter – und das mit total gekünstelten Bewegungen. Noch schlimmer als im Standardbereich. Tanzroboter, für meinen Geschmack.
Doch als mir mein Algorithmus heute zum Frühstück dieses Paar servierte, war ich fasziniert. Ausgehend von einem Showtanz-Potpourri aus dem Jahr 1971, etliche Jahre nach ihrer Profi-Karriere, klickte ich weiter und fand ihre Meisterschaftstänze von 1963. Wie lässig diese hoch trainierten Profis aussehen… Sie bewegen sich fast wie „nebenbei“. Auf mich wirken sie sogar lockerer als Fred Astaire und seine Partnerinnen. Hart erarbeitete Leichtigkeit. „Cool“ würde man heute wohl sagen. Das war’s auch schon. Nutzanwendungen oder kulturkritische Bemerkungen bezüglich des aktuellen Tango verkneife ich mir ebenso wie Scherze über Walter Lairds Haarteile. Viel Spaß beim Anschauen meiner Beispiele! Auf Youtube gibt’s noch mehr.
(*) http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/10/september-in-rain.html
(**) https://www.theguardian.com/news/2002/aug/03/guardianobituaries.arts
RUMBA
JIVE
PASO DOBLE
3 Comments
ja in der tat, das wirkt aus heutiger Sicht (noch) richtig elegant. Manche Figur aus der Rumba könnte eine Inspirationsquelle für manche Tango-Soltada sein 🙂
Aber dazu müssen wir auch bereit sein, die Soltada als legitime Figur im Tango zu akzeptieren, lieber Martin. Sie ist nämlich keine Auflösung der Umarmung, sondern eine Umarmung ohne Berührung.
Was ist eine Soltada? (frei übersetzt – die Loslösende)
Soltada ist eine Figur aus dem Tango nuevo oder Tango fantasia. Die Dame oder der Herr löst sich kurzzeitig aus der Umarmung des Tanzes, führt die Figur aus und kehrt wieder in seine Arme zurück. Meist Drehungen, können aber auch gegangene Figuren (Wickelfiguren) oder ähnliches sein.