Nun ist es also vorbei, das sechste EMBRACE-Festival in Berlin, erstmals mit einem Tanzwettbewerb, oder in modischem Englisch: mit einem Contest. Und ich hab geschwänzt. Wer mag, kann in einigen Bildern auf Facebook sehen, wie schön meine Alternative war: Ein Kurzurlaub in der Oberlausitz. Ich hab gewartet, ob es etwas Echo gibt – auf die “German Open” und überhaupt. Eine diesbezügliche Frage des Berliner Tangolehrers und -Veranstalters Rafael Busch verhallte bislang fast ungehört – verglichen jedenfalls mit den Facebook-Diskussionen, die er im Vorfeld losgetreten hatte.
Im verdienstvollen YOUTUBE-Kanal 030 tango sind inzwischen Videos der Wettbewerbsrunden veröffentlicht. Ich hab sie mir angesehen Wer Lust und Interesse hat, kann mir folgen. Ich dokumentiere hier nur einige Bespiele – von der Qualifikation bis zum Finale in den verschiedenen Disziplinen. Außerdem einige Solo-Tänze des Siegerpaares KATIA SPINA & GIUSEPE VENTO sowie Showtänze der Gastpaare. Es soll ja nicht so aussehen, als habe EMBRACE 2019 nur aus dem Contest bestanden.. Dazu noch ein Bild der beiden jüngsten Teilnehmer. Mehr ist zu sehen in Facebook-Gruppe für das Turnier: http://BERLIN OPEN Tango Contest Group. Ich halte mich mit Kommentaren zurück. Hier nur zwei Bemerkungen: Unter Wettbewerbsstress eine vorbildliche Ronda aufrecht zu erhalten, ist offenbar ziemlich schwierig. Erstens. Und zweitens: Mit meinem Lieblingstanz “Milonga” konnten – nach meinem Eindruck – auch die Finalisten eher nicht so viel anfangen.
Zum Wettbewerb selbst hat sich einer der Berliner Teilnehmer auf FB geäußert: Olaf Krolls Beitrag habe ich mit seiner Erlaubnis in den Kommentaren dieses Blogs dokumentiert. Hier positionierte sich auch Hsiao Wang Wendy , die Gastgeberin einer der erfolgreichsten neueren Milongas in Berlin, außerdem die Tänzerin und Autorin Lea Martin, deren Kolumnen-Sammlung ich neulich besprochen habe: http://kroestango.de/empfe hlungen/buecher/tangodreams-ein-buch-zum-beiseite-legen/ und last but notl east der Maler und Tänzer Jürgen kühne http://kroestango.de/aktuelles/malen-tanzen-caroline-roling-und-juergen-kuehne/ , der mit seinem Bildern sowie Tango-Nuevos-inspirierten Videos im im Netz zu sehen ist. Sollte dies alles gewesen sein? Kurz vor dem Festival hatte ein bekannter Berliner Veranstalter erklärt, jetzt (also damals) sei nicht die Zeit für Debatten. Aber Inzwischen ist die Chose vorbei. Also: FEUER FREI – friendly fire, versteht sich! Aber ich fürchte: Viel wird erst einmal nicht mehr kommen. Jedenfalls öffentlich.
Ich teile an diese Stelle die offiziellen Ergebnisse der BERLIN OPEN . http://berlinopen-tangocontest.de/ergebnisse/ Inzwischen gibt es etlche Videos von den Showtänzen des Sieger-Paares KATIA SPIA & GIUSEPPE VENTO. Bei ihrer Performance zu “Pathetico” in der Berliner Milonga “Pippos Tango” mit Musik von “Solo Tango” haben sich die beiden übrigens nicht mehr an die Regeln des Contest (und der Mundial) gehalten, weshalb hier Soltadas und Hebefiguren zu sehen sind. In ihren beiden anderen Showtänzen verhalten sie sich regelkonform, soweit ich das erkennen kann.
Auf den ersten Blick auffällig finde ich dreierlei: Die geringe Zahl der deutschen Teilnehmer im Allgemeinen ( vier Paare insgesamt) und die der Berliner im Besonderen. Dafür gibt es gleich im ersten Jahr ein ziemlich großes Internationales Interesse. Wie das im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen in anderen Ländern zu bewerten ist, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen. Meine Vermutung: Die Abneigung gegen Turniertanz ist hierzulande nach wie vor ziemlich groß. Außerdem möchten auch die guten Tänzer wohl nicht von den Berliner Bekannten “verrissen” werden. Hinzu dürfte auch die grundsätzliche Scheu kommen, etwas vorzuführen. In Seminarios bei Brigitta Winkler und Murat Erdemsel hab ich gelinde (nur leicht überspitzt formuliert) Panik in den Augen der meisten TeilnehmerInnen erlebt, als es hieß: Nun zeigt mal, was Ihr gerade gelernt habt – vor dem “Publikum” eines kleinen Workshops wohlgemerkt, nicht etwa eines größeren Auditoriums.
Über die Haarrisse in der Berliner Community hatte ich ja vor der Veranstaltung in aller Dezenz berichtet. Ich verstehe, wenn die Profis unter sich reden wollen. Aber ich würde mich freuen, wenn es mir gelänge, dort weiter zu machen, wo Rafael aufgehört hat und möchte hier eine Plattform bieten. Beiträge werden so schnell wie möglich und zensurfrei freigeschaltet.
Nun geht es weiter mit einer überarbeiteten Fassung meines ursprünglichen Blog-Beitrags. Mein Text in der Berliner Zeitung, eine kleine Liebeserklärung an den Tango, die sich an das tangoferne Publikum richtet, ist frei im Netz zu lesen: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/freizeit/embrace-festival-tanzen-bis-zum-tangasmus-32650616
Ich hab’ meinen Beitrag zu EMBRACE geleistet. Mit großem Vergnügen. Endlich ‘mal wieder einen Artikel für die BERLINER ZEITUNG. Endlich einmal wieder einen Artikel für die BERLINER ZEITUNG geschrieben – über die Schönheit des Tango im Allgemeinen und das Berliner Festival im Besonderen. Der Text richtet sich nicht an die Community, sondern soll in der überwiegend tangofernen Leserschaft über unseren Tanz und die Veranstaltung informieren. Einen gewissen Anteil an Werbung im Allgemeinen wie im Besonderen kann ich dabei nicht leugnen. In diesem Blog geht es jedoch um etwas anderes. Um die Binnensicht. Und die ist keineswegs nur werbewirksam. “Vorsichtige Festival-Umarmung in Berlin” (**) hieß vor gut einem Jahr mein Artikel über EMBRACE
Als ich zuvor auf Facebook über interne Debatten unter den Berliner Tango-Schulen und -Veranstaltern berichtet hatte, wurde ich wegen dieser angeblichen Indiskretion kritisiert. Diesmal gehen die Profis selbst an die Öffentlichkeit. Der weit über Berlin hinaus bekannte und beliebte Tanzlehrer Rafael Busch, der gemeinsam mit seiner Frau Susanne Opitz die Schule “Tangotanzen macht schön” betreibt, hat mit drei Posts auf Facebook eine umfangreiche Debatte angestoßen (**):
Freut ihr euch auf das Berliner Embrace Festival?
und
Ich halte beim Tanzen Perfektionismus für ungesund. Und Wettbewerbe für überflüssig. Mein Ziel ist Hingabe, Verbindung und Freude.
und
Sind TangotänzerInnen geizig?
Dazu muss man wissen: Die zentrale Neuerung des Festivals ist 2019 ein “Contest”. Zu deutsch: Wettbewerb. (***) Obendrein hat Rafael Busch in dessen Vorfeld ein zwei Jahre altes Video mit einer Unterrichtszusammenfassung veröffentlicht. Darin führt er gemeinsam mit Susanne Opitz eine “Soltada” vor – eine zeitweilige Auflösung der Umarmung. Den Regeln der “Mundial” (Weltmeisterschaft) im “Tango de Salon” folgend, ist diese Figur beim Berliner Turnier nicht zugelassen.” (****) Ein Schelm, der Böses dabei denkt…
Wenn das Video von Rafael & Susanne hier nicht zu sehen ist , liegt das übrigens nur an meinen mangelnden technischen Fertigkeiten. Es ist mit Vimeo gepostet. Und ich war nicht in der Lage, es hier einzubinden. Ansonsten sind hier nun lauter aktuelle Videos vom Feystival zu sehen. Der erst Showtanz von Clarisa Aragon & Jonathan Saavedra hatte mich besonders neugierig gemacht, weil sie zu Beginn führt. Aber leider belassen es die beiden bei der winzigen Andeutung eines Rollentausches. Schade!
Wenn ich die Diskussion über Rafael Buschs erste Frage recht verstehe, hält sich die Freude auf EMBRACE mindestens bei einem Teil der Berliner Profis in Grenzen. Weitgehend verflogen scheint der Enthusiasmus, mit dem die Veranstaltung 2014 begonnen wurde. Damals hatte die Szene der Stadt, die sich so gern des Namens der europäischen Tango-Hauptstadt erfreut, einen schweren Imageschaden zu verkraften. Ein Veranstalter, den keiner so recht kannte, hatte schon vor dem ersten Tanz ein Festival in die Pleite geführt, das die größte Veranstaltung dieser Art in Berlin (mindestens) hätte werden sollen. Diese Schmach wollten die Berliner nicht auf sich sitzen lassen.
So entwickelten sie in zahlreichen Diskussion das Konzept eines “Community-Festivals”, an dem alle Berliner Veranstalter (die wollten) beteiligt sein sollten. Diese so kuschelig klingende Vorderseite hatte schon damals eine kühl kalkulierte Rückfront: Keiner wollte und sollte für Ideen in Haftung genommen werden können, die ein anderer entwickelt hatte. Deshalb sind auch alle Versuche gescheitert, einen gemeinsamen Festivalpass anzubieten, wie er andernorts üblich ist. Die Umarmung war also nie so vorbehaltlos und vertrauensvoll, wie sie bei einem perfekten Tango sein sollte oder der werbetechnisch geniale Titel nahelegt. Der Keim des Misstrauens war von Anfang an da – verständlicherweise. Denn die Pleite damals war schon ziemlich krachend.
Ich fürchte, eine Mischung aus politischer Ökonomie und Soziogramm der Berliner Tango-Veranstalter in der gebotenen Ausführlichkeit dürfte das Interesse meiner LeserInnen überfordern. Außerdem möchte ich noch unbeschadet die eine oder andere Milonga besuchen können. Deshalb nur so viel: Es ist offenbar nicht gelungen, ein Format zu entwickeln, in dem keiner der Veranstalter das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Insbesondere den Promotoren der Embrace-Idee wird von einigen unterstellt, sie seien vorwiegend auf den eigenen Vorteil bedacht und ließen den anderen keine Chance, sich wirklich einzubringen. Andere widersprechen dieser Auffassung.
Die Nerven scheinen mir angespannt in der Szene. Deshalb wird der Ton rauer, aber auch die Bereitschaft größer, ökonomische Engpässe und interne Konflikte wenigstens halb offen auszusprechen, statt sie unter den “Wir sind eine große kuschelige Tango-Familie”-Teppich zu kehren. Wenn ich es richtig sehe, steigt die Zahl der TänzerInnen nicht im selben Maß wie die Zahl der Tanz-Veranstaltungen. Außerdem gibt es neue Milongas von Menschen, die keinen so großen Apparat zu finanzieren und organisieren haben wie Schulen. Sie bemühen sich, ihre Veranstaltungen unverwechselbar zu machen über das grundsätzliche Angebot hinaus: Hier könnt hier könnt Ihre schön tanzen. Wer nicht vom Tango leben will/muss, kann leichter “innovative” Formate entwickeln und sie intensiv pflegen. Und für die Schulbetreiber kann es rentabler sein, ihre Räume zu vermieten ohne die Belastung durch Organisation und Kosten. Und über allem schwebt drohend das Problem Nr. Eins der Stadt, auch außerhalb derTangoszene: Steigende Mieten oder mindestens die Erwartung steigender Mieten oder gar des Verlustes halbwegs erschwinglicher Räume. Die gibt es in Berlin nämlich. Noch. Kein wunder also wenn ein allgemeiner Seufzer der Erleichterung durch den professionellen Teil der Szene ging, als eine der großen Tangoschulen auf FB mitteilte: Unser Mietvertrag ist verlängert!
Was mich an geht, so will ich mich nicht um eine Sammelantwort auf Rafaels drei Fragen herumdrücken: Nein, Geiz gehört nicht zu meinen hervorstehenden Eigenschaften. Aber als Rentner muss sich mehr aufs Geld achten als früher. “Solo Tango” hab ich schon drei Mal erlebt, zuletzt beim Dresdener Tangofest. Deshalb empfehle ich diese Spitzentruppe zwar, verzichte aber diesmal selbst auf ihren EMBRACE-Auftritt. Meine Freude auf das Festival insgesamt hält sich in Grenzen, da ich in diesem Jahr so wenig neue Impulse zu entdecken vermag, die mich wirklich interessieren, wie im vorigen. Die Partystimmung, die Stammgast Horacio Godoy als DJ entfacht habe ich genug erlebt, um zu sagen: Mein Ding ist das nicht – so sehr ich auch seine oft angenehm unorthodoxe Art zu tanzen schätze. Auf eins freue ich mich allerdings ausgesprochen – endlich einmal im Roten Rathaus zu tanzen. 2013 hatte dort die große Eröffnungs-Milonga stattfinden sollen. Pleitehalber standen wir dann vor verschlossenen Türen. Dieses Mal will ich hier rein.
Bleibt die wichtigste Innovation von Embrace 2019 – der “Contest”: Ich teile Rafael Buschs Skepsis gegenüber Wettbewerben. Als ich mit dem Tango angefangen habe, hieß es, derlei sei etwas für Standard-und-Latein-TänzerInnen. Tangureros/as tanzten für sich und nicht für irgendwelche Wertungsrichter. Das mag auch heute noch für viele von uns gelten. Wir werden sehen, ob eine neue Generation das inzwischen anders sieht. Im übrigen ist die Geschichte des Tango gepflastert mit Wettbewerben – organisierten, aber auch voll von informellem Wettstreit, den die “Viejos MIlongueros” unter einander austrugen, als sie noch jung waren. Damals entwickelten die großen Tänzer neue Schritte und Figuren und versuchten, die Konkurrenten auszustechen. (*****) Nicht zuletzt übrigens, um die besten Tänzerinnen für sich einzunehmen. Wer sich Youtube-Videos von den “Mundial” in Buenos Aires anschaut, wird nach derlei Innovationen meist vergeblich suchen – jedenfalls im Tango de Salon, oder wie es hier heißt “Tango de Pista” .
Ich schau mir deshalb lieber die Tänze im “Tango Escenario” an – im abschließenden Video dieses Beitrags sind die Sieger von 2018 zu sehen: DMITRI VASIM & SAGDIANA HAMZINA aus Russland, das erste komplett nicht argentinische Meisterpaar in der 14jährigen Geschichte der MUNDIALES. Ihre Musik stammte von “Solo Tango”, die Stammgäste in Berlin sind.
Fazit: Ich zwar nicht behaupten, mich auf die “German open” besonders gefreut zu haben. Aber ich war gespannt darauf gewesen. Doch es gibt im Leben gelegentlich Wichtigeres als Tango – zum Beispiel einen tanzlosen Kurzurlaub mit Freunden. Und wenn ich ehrlich bin: Die Videos von den GERMAN OPEN zeigen Tango auf hohem Niveau – aber auch das Siegerpaar lässt mich nicht seufzen: Schade, dass ich die nicht live erlebt habe.
(*) Sie sind in seiner Chronik nachzulesen, einschließlich der Namen der Beteiligten. Ich werde mich hier im wesentlichen auf eine kurze inhaltliche Zusammenfassung beschränken.
(**) http://berlinopen-tangocontest.de . “Little Statistics of BERLIN OPEN Tango Contest: 24 couples from 11 different countries of different styles/ two extra rondas of our Milonguer@ of the Hearts category/ youngest participant: 18, oldest participant 78 years old/ most kilometers travelled for taking part: 9304 ” (Mimi Hirsch auf Facebookam 17. 6.) Im 25.Jahr der Städtepartnerschaft Berlin – Buenos Aires hat die argentinische Botschaft bei der Werbung von Sponsoren geholfen. Deshalb kann das Festival mit Preisen im Wert von mehr als 10 000 Euro aufwarten – an der Spitze ein Flug nach Buenos Aires für das Siegerpaar.
(***) “Bewertungskriterien…Die Umarmung darf nicht gebrochen werden. Elemente wie Soltadas sind deshalb nicht erlaubt.”
(****) siehe: Benzecry Saba`, The Quest for the embrace, The History of Tango Dance 1800 – 1983, Abrazos 2015. Demnächst gibt’s hier eine ausführliche Auswertung des Buches.
5 Comments
Was schmeckt besser, Äpfel oder Birnen?. Dieser immer wieder bemühte Vergleich wird dann herangezogen, wenn etwas überhaupt nicht zu vergleichen, bzw. zu bewerten ist. Irgendwie gilt das auch für den stets individuell gestalteten Tango Argentino, den jeder tanzen darf, wie er es für richtig hält (solange es nach Tango Argentino aussieht…). Warum also ein Wettbewerb, pardon Contest (obwohl der Tango Argentino mit dem Englischen nun wirklich nichts gemein hat) für etwas, was beim besten Willen weder messbar noch objektiv vergleichbar ist? Insofern kann man durchaus dem Berliner Tangolehrer Rafael Busch zustimmen, der Wettbewerbe im Tango für gänzlich überflüssig hält.
Aber da gibt es ja die Weltmeisterschaift in Buenos Aires, Wettbewerbe in Italien, Frankreich, Russland, England…, bei denen man sich für die begehrte Teilnahme am Campeonato de la Tango de a Ciudad de Bs As qualifizieren kann. Warum also nun bitteschön nicht auch in Berlin, der zweiten Welthauptstadt des Tango Argentino. Eingebettet war der Contest Berlin Open in das Festival Embrace, was sich ja organisatorisch anbietet und auch für eine ausreichende Zuschauerzahl sorgt. Die parallel stattfindenden Milongas waren übervoll, was zwar für volle Kassen, aber weniger für großes Tanzvergnügen sorgte, zumal bei den gerade herrschenden tropischen Temperaturen. Der einleitende Ball im Roten Rathaus lies wegen des Gedränges eigentlich gar kein Tanzen zu, man war halt dabei. Das Interessen am Contest steigerte sich von Tag zu Tag, fand allerdings in drei verschiedenen Räumlichkeiten statt. Auch wenn, wie gesagt, der Sinn von Wettbewerben im Tango Argentino fraglich ist, empfand ich es durchaus als Bereicherung, Paaren in einem Wettbewerb jeder gegen jeden beim konzentrierten Tanzen zuzusehen und Hauptaugenmerk auf Erscheinung, Technik und Eleganz zu legen.
Die sehr zahlreiche Jury hatte auch stets ein konzentriertes Auge auf die teilnehmenden Paare. Nach welchen Kriterien die Juroren die Tanzleistungen genau bewerteten, blieb den Zuschauern allerdings verborgen. Geboten wurde ein Spektrum von dänisch-rustikaler bis italienisch-eleganter Tanzkost. Eins wurde sehr schnell deutlich, die drei Berliner Paare, sind für ihren Mut zur Teilnahme zu bewundern, weniger aber für die gezeigte Leistung. Sie reichten nicht annähernd an die Qualität der Spitzengruppe heran.
Fazit, die zweite Tangowelthauptstadt schafft es nicht, ein Spiztenpaar hervorzubringen, Berlin hat zwar Masse aber noch keine Klasse. Und was noch mehr verwunderte, selbst die Berliner Paare, die anderweitig schon in Wettbewerben auftraten, glänzten mit Abwesenheit und besahen sich lieber vom Publikum aus, wie andere tanzten. Wer Arges dabei denkt, ist ein Schelm… Übrigens empfand ich die zeitschindende Präsentation der Sieger als überflüssige Selbstdarstellung… Alles in allem bot das diesjährige Embrace, eine sehr umfangreiche tangoreiche Woche…
OLAF KROLL, einer der wenigen berliner Teilnehmer am CONTEST, hat mich autorisiert, seinen (auf englisch verfassten) Erfahrungsbericht, den er auf FACEBOOK gepostet hat, auch hier zu veröffentlichen. Vielen Dank, lieber Olaf. Vielleicht schafft es ja einer von uns beiden gelegentlich, den Text zu übersetzen.
“Here’s a little feedback of „how it was“ to join the tango contest, because I got many questions from friends who were curious.
Tango and competition – at first this makes no sense, as tango is a social dance and should have nothing to do with competition. However, it’s obviously not that black and white. To start with, here are some aspects that I really loved about it:
1) It’s a set of fun challenges – to overcome your fears to dance in front of others, to face receiving blunt and unfiltered feedback about your dance, to really get off your ass and improve your dance, and a few others.
2) I enjoyed the condensed energy of it all – here’s a group of 50 people in one room and they are all here to put all their years of dancing experience into a set of only 10 minutes in which they strive to dance their absolute best tango – isn’t that amazing? Right before it starts, there’s a tremendous amount of energy, focus and concentration and positive and friendly tension in the room, and it’s fascinating to see how everyone deals with this situation. I thought it had something meditative.
3) I got a new perspective on tango which I think actually improved my dance – when mostly dancing socially at milongas and marathons, the thing one strives to improve is mostly the internal dance feeling between oneself and the partner. Visual aesthetics as seen from outside are rather secondary. However, I was very surprised to learn that when you start working on your own tango with an outside visual perspective (as seen by the jury), the effect on the inside feeling can also be quite huge!
On the other side, I guess the mistakes to avoid when competing are:
1) taking competing with others and being rated all too serious – I like the idea of taking it with a sports spirit – like you play a match of tennis or chess with a friend – you give everything to win the game, but you do it because this way it’s just more fun to play! Winning itself is nice but essentially meaningless. The value lies in the fun of playing and the fruits of challenging yourself.
2) when the tail wags the dog – when visual aesthetics of the dance replace (instead of compliment) the internal dance feeling – this obviously violates the idea of tango
3) not to stay open to other styles of tango than the one that’s appreciated by the jury
PS. Thank you Bojana for being such a genius and fun partner – you’re simply amazing!
PPS. In the end we got 10th out of 12 in the tango final”
Ich fand das “Contest-Embrace”-Festival faszinierend. Obwohl es das Flair eines Geschäftsmodells hat. Der Adrenalinspiegel der Beteiligten ist ähnlich hoch wie bei einer Heidi-Klum-Show. Die Blicke der Zuschauer/innen pendeln zwischen Begeisterung und Arroganz. Das ist wie beim Fußball. Da sind auch die besten Spieler die mit den Bierflaschen in der Hand. Ein Gast, der neben mir stand und die Berliner Tangoszene nicht kennt, fragte, wer die Geschäftsfrau sei. Er meinte Mimi Hirsch.
Ich teile die Ansicht von Jürgen Klünne, dass man nicht den “kleinen” Tango gegen den “großen” ausspielen darf. Aber wünschen würde ich mir, dass so tolle Tanzpaare wie Gaia und Leandro, Susanne und Rafael, Chantal und Sebastian oder Judith, Constantin, Christiane, Felix, Silvana, Nikita, Emiliano, Naomi, Alejandro und auch Stravaganza, wenn sie schon nicht selbst Wettbewerbe gewinnen wollen, sich doch Angebote ausdenken, um aus der Masse an Tänzer/inne/n, die es in Berlin gibt, jene Klasse zu generieren, die angeblich fehlt. Denn schaut euch mal die Angebote der Tanzschulen an: Es gibt eine unübersichtliche Vielfalt an Workshops zu den unterschiedlichsten Themen und mit den fantasievollsten Namen, aber ab einem bestimmten Level findest du kein Angebot zur Verfeinerung und Weiterentwicklung deiner eigenen persönlichen Technik.
Ein Weg könnten Privatstunden sein, die für die meisten nicht regelmäßig bezahlbar sind. Ich wünsche mir mehr Ehrgeiz und Fantasie von Tanzschulen, nicht nur neue Schüler/innen zu gewinnen, sondern Talente gezielt zu fördern. Es gibt sie, auch in Berlin, da bin ich ganz sicher, und wenn Spaß am Wettbewerb sein dürfte, würde auch mehr Vielfalt entstehen und eine echte Chance für ältere Paare, die dieses Mal keine hatten.
Von mir aus kann/soll Tango Festival in Berlin sowie Wettbewerb/ Contest weiter organisiert werden. Von mir aus AUCH wenn sie einladen, wie sie ihr Programm gestalten, es ist halt ihr Geschäft.
Der Event bringt viele Leute aus anderen Teilen der Welt nach Berlin, viele Berliner nehmen daran auch teil abgesehen von den üblichen Milongueros. Wir gewinnen den Ruf gut / schlecht und weiteres.
Die Organisatoren ernten tüchtig von Geld, Erfahrung und diversen Kritiken. Die Teilnehmer/Innen spendieren die Gelde und it makes world go round.
Die Geschmäcker sind unterschiedlich abgesehen davon von wessen Position heraus über eine Sache zu bewerten ist, man kann alle Leute sowieso nicht gleichzeitig zufrieden stellen.
Was ich aus meiner diesjährigen Erfahrung bei dem Embrace -1. Org- Treffen ( anwesend Sven, Judith, Mimi und Horst, später Michael Rühl ) gesammelt habe, würde ich trotzdem hier meinen Vorschlag machen, selbst da beim Treffen die ursprüngliche Philosophie der Embrace schon nicht mehr zu spürhen war.
Die Vergangenheit ist dann passé,
Die zukünftigen Organisatoren sollen nicht nur auf ihr eigenes Interesse und Profits achten, sondern faire und rücksichtsvoll in allgemein mit den existierten Milongas sich zu verhalten, sie zu respektieren, deren Programm nicht zu begrenzen, auch sie nicht zu Konkurrenz zu machen, denn wir wollen alle harmonisch zusammen leben und co -existieren.
Wendy Hsiao Wang/ Berlinos Aires Milonga
Gleich vorab: ich gebe zu, ich war nur im Roten Rathaus…
Eine wirklich schöne Location, aber leider deutlich zu klein für die Menge der Leute… viel zu wenig Stühle (bzw verbesserungsfähige Tischauswahl – für diese Art der Gran Milonga mit vielen Unterbrechungen, Reden und Showtänzen hätte ich mind. für 2/3 der Gäste Sitzplätze bereit gehalten – zur Not halt dann auch im Vorraum) und Soundprobleme und Unterbrechungen durch die per Funk angebundenen Boxen.
Das Community Orchester war ziemlich gut und hat super Stimmung gemacht. Warum Francesco bei völlig überfüllter Tanzfläche eine Salamanca-Tanda gespielt hat, war mir völlig unklar (OK, Bomboncito hatte 61 jähriges Aufnahmejubiläum – aber für solche Musik war da einfach kein Platz zum tanzen … ). Godoy vertritt ja die Ansicht, dass man bei einem Marathon oder Festival spielen kann, was man will (sprich, die Regeln, die er auch in seinem DJ-Workshop vertritt, über Bord werfen kann) – ich kann dem leider nicht zustimmen.
Leider ließ, wie schon vorher zu befürchten war, die Umsicht und Rücksichtnahme – sprich das soziale Tanzen – bei Berlinern sowie auch Besuchern wirklich zu wünschen übrig. So viel Angerempel und Geschubse hab ich lange nicht mehr erlebt, dann vielleicht sogar lieber Loft zur PrimeTime. Die klassische Kontaktaufnahme mit dem Führenden vor dem man die Ronda betreten möchte ist ja leider in Berlin schon grundsätzlich selten anzutreffen und wurde hier durch ein Sich-hineindrehen/drängeln/schieben ersetzt. Leider glänzten auch einige der Wettbewerbspaare statt durch Vorbildfunktion durch nicht der Situation angepasstes tanzen. Und wenn man bei dieser Fülldichte Boleos führt oder folgt bzw. die auch noch auf der Tischplatte – ja auf und nicht nur von unten – landen, kann irgendwas nicht stimmen…).
Vielleicht sollte man für eine so große Milonga dann auch einfach einen Raum nehmen, wo alle ordentlich reinpassen wie z.B. den Löwesaal oder halt die Menge der Teilnehmenden beschränken, so dass die Gäste wenigstens halbwegs ordentlich tanzen können.
Auf die ganze Contestsache kann ich getrost verzichten. Für mich ist Tango deutlich introvertiert und die intrinsische Kommunikation im Paar und die Bewegung des Paares in der Musik deutlich wichtiger als ablaufende Figurencombos und das gute Aussehen derselben für den außenstehenden Beobachter. Ich könnte mich vielleicht mit dem Konzept anfreunden, wenn der Wettbewerb im Jack & Jill Format (Zufallsauslosung) ablaufen würde und in einer zweiten Runde alle Teilnehmer auch mit den Wertungsrichtern tanzen würden ;-).