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Nachtgedanken… über Tango und Schweinkram

30. April 2018
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Ich bin zwar (leider) noch nicht Opa, aber von früher erzähl ich trotzdem gern. Manchmal. So erinnere ich mich mit Freuden an das Lächeln des Chefs der alternativen Tanzschule, in der ich angefangen habe. Standard- und Latein. Manchmal legte er an den regelmäßigen Tanzabenden Stücke auf, die selbst die erfahrensten Stammgäste erst einmal ratlos stehen ließen. Ab und zu verirrten sich auch Tänzer aus Schulen dort hin, die dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) angehörten. Manche fanden es nach einer Phase der Irritation spannend, sich zu Musik zu bewegen, die nicht den Beats-per-minute-Vorgaben des Welttanzprogramms entsprachen. Sie wurden zu Stammgästen. Andere flohen zurück in jene Welt, wo es schon deshalb keine Rätsel geben konnte, weil nicht nur der Beat klar war, sondern der DJ verkündete: Langsamer Walzer… Sicherheitshalber.

Daran fühle ich mich erinnert, wenn in Tangokreisen auf überraschungsarme Milongas bestanden wird, um erstens die Mehrheit der Gäste nicht zu verwirren und zweitens weil angeblich nur die wiederholungsbedingte Vertrautheit mit der Musik den Tänzerlnnen die Möglichkeit gebe, zu höchster Vollendung zu finden. Entgegen anders lautenden Unterstellungen will ich niemandem vorschreiben, wie und wozu eine(r) zu tanzen habe.

Aber weil in der Tangocommunity die Freundlnnen der Überraschung nicht unbedingt häufiger zu finden sind als unter den vereinsorientierten Ballroomtänzern, versuche ich mit einiger Hartnäckigkeit für die Öffnung der musikalischen Geschmacksknospen zu werben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Als Anhänger eines Minderheitsgeschmacks bin ich übrigens schon deshalb zur Toleranz gegenüber anders Hörenden gehalten, weil ich sonst kaum noch zum Tanzen käme.

Nun gibt es immer wieder (selbstverständlich nicht hierzulande) Stimmen aus der Welt der Mehrheit, die mich daran zweifeln lassen, dass die Mainstreamer mir und meinsesähnlichen gegenüber ähnliche Duldsamkeit walten lassen. Eine davon gehört Paul Yang. Er ist Amerikaner und betreibt den Blog „In Search of Tango“ (*). Dort hat er kürzlich einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel: „Tango Music and its Danceability“. Der Text wäre nicht weiter erwähnenswert, beließe er es bei der detaillierten Beschreibung eines konservativen Musikgeschmacks, wie er von der Mehrheit der Edoistas geteilt werden dürfte. Doch Paul Yang geht weit darüber hinaus. Er erklärt diesen Tanz-Musik-Geschmack zu einer anthropologischen Grundkonstante.

Musik ist nach seiner Meinung nur dann „tanzbar“, wenn sie „erkennbaren und vorhersehbaren Taktschlägen“ folgt: „Millionen Jahre menschlicher Evolution haben Rhythmus ästhetisch und musikalisch für die Wahrnehmung unsrer Sinne“ gemacht . Unser Körper antwortee „auf rythmischen Klang.“ Dass heute versucht wird, dies Prinzip infrage zu stellen, ist für Paul Yang ein Produkt kapitalistischer Dekadenz. Kapitalismus und Kommerz drängten auf Innovation, Eindruck und Exotismus, um Verkaufzahlen zu erhöhen. Menschen, die dieser Tendenz folgten, mangele es an „Tiefe und bleibender Qualität“. Sie verwechselten „Bizarrheit mit Schönheit“ und legten zu viel Wert auf spektakuläre Form statt auf Substanz.

Ein besonderer Dorn im Auge ist ihm „Kreativität“. Sie habe zwar viel Gutes geschaffen, sei aber ein „zweischneidiges Schwert“. So versorge sie uns mit „Autos, Computern, GPS und schöner tanzbarer Musik wie klassischem Tango“. Aber sie bringe auch „Rauschgift, Massenvernichtungswaffen und untanzbare Geräusche.“ So habe sie zur „Zerstörung der Familie“ geführt, zu LGBTIAPK und gleichgeschlechtliche Ehen. Das Buchstabenungetüm ist eine unteramerikanischen Konservativen gängige Abkürzung für „LesbianGay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual, Polygamous/polyamorous,Kink“. Auf Deutsch: Schweinkram.

Womit wir wieder beim Tango wären. Die (aus Yangs Sicht) Sucht nach Kreativit ist nämlich der Grund dafür, „dass Djs eine unkonventionelle und neuartige Musikauswahl anstreben“. Sie sammelten Lieder, die „selten, abnormal, exotisch und schwer folgbar“ seien. Dabei igrnorierten sie, „dass die Tänzer den klassischen Tango 60 Jahre nach dem Ende des Goldenen Zeitalters immer noch lieben, wohingegen die ‘revolutionäre’ Musik derselben Zeit längst vergessen“ sei.

Ich mag der Mehrheit des „Epoca d’ 0ro“-fixierten Tango-Mainstreams nicht derlei anthropologisch überhöhten Dogmatismus unterstellen. Gleichwohl irritiert mich die absolute Selbstgewissheit, mit der manche Protagonisten dieser Szene auf ihren Positionen bestehen – und zwar nicht bloß im Umgang mit häretischen Nervensägen wie Gerhard Riedl (http://milongafuehrer.blogspot.de) oder mir. Diese Arroganz bekam neulich ein nordeuropäischer DJ zu spüren, der in der geschlossenen FB-Gruppe „TDJF – Tango DJ Forum“ harmlos nach Vorschlägen für Foxtrott-Tandas fragte – nebst Meinungen über ihre Verwendung in einer Milonga.

Außer einigen sachdienlichen Hinweisen ernte er einen Sturm der Entrüstung. Die rhetorische Frage, warum Djs überhaupt auf die Idee kämen, Foxtrott statt „normaler“ Milongas zu spielen, war noch die höflichste Variante. Eine Stellungnahme muss ich im englischen Original zitieren: „Does not make any sense to play f***strotts“. Ein anderer berichtete, auf den Encuentros, die er besuche, frage niemand nach Foxtrotts. Sie seien „gänzlich außerhalb des aktuellen Kanons“. (**) Kanon? Das klingt nach verbindlichem Bildungsschatz. Aber wo wäre im Tango die Richtlinien-kompetente Instanz? Wir haben es also mit nichts anderem zu tun als, sorry, einem Versuch aufgeblasener Selbstermächtigung.

Wir müssen alle damit leben, dass es in unserer kleinen Welt des Tango nichts Verbindliches gibt, nur eine – zum Glück – Vielzahl von Geschmacksrichtungen. Aber wenn das Metronom, pardon, der gattungsgeschichtlich basierte Rhythmus ein so zentraler Qualitätsmaßstab ist, wie Paul Yang meint, dann hab ich gerade eine Offenbarung erlebt: Einen grandiosen Auftritt des Electrotango-Quartetts „Otros Ares“ in Berlin. Konsequenter hätte auch Juan d’Arienzo, der klassische „Rey del Compa´s“, den vorhersehbaren Beat nicht zelebrieren können.


(*) yangningyuan.blogspot.de; Gerhard Riedl hat den größten Teil des Textes ins Deutsche übertragen und mit einigen Anmerkungen versehen:  https://milongafuehrer.blogspot.de/2018/05/grubensags-und-hibidum.html

(**) Siehe: TDJF – Tango DJ Forum, Hjard Rune Jensen, 26. April, 1521, Any suggestions for foxtrot tandas… und die folgende Diskussion.

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Thomas
Thomas

3 Comments

  1. Eddy sagt:
    1. Mai 2018 um 12:14 Uhr

    der kreative Tänzer findet den Rhythmus hinter der Melodie oder betanzt sie, der weniger Kreative muss sich leider hinsetzen. 😉
    lg Eddy

    Antworten
  2. Matthias sagt:
    3. Mai 2018 um 13:49 Uhr

    Na wenn sich selbst Oscar Casas – ein Lehrer der in den Heiligen Hallen des “El Beso” unterrichtet – dazu herablässt, gelegentlich einen Foxtrot vor Publikum zu tanzen…

    * [http://elbeso.com.ar/milongas-tango-buenos-aires/]
    ** [https://www.youtube.com/watch?v=sDDbfxXz8bM]
    *** [https://www.youtube.com/watch?v=TPuP1EhVU8Y]

    dann könnte man doch – zumindest gelegentlich – auch diese (offenbar von Oscar auch nach Nordamerika exportierten) Rodríguez-Klassiker in Deutschen Milongas auflegen? Würden künftig ausschließlich kanonische Werke gespielt, so wäre das ähnlich unsinnig, als würden irre Literaten plötzlich darauf bestehen, lediglich die klassischen Werke der Weltliteratur seien künftig noch zu lesen. Oder Dramen gehörten noch zum Kanon, Novellen aber nicht!
    Auch Werke von Luigi Nono gehören doch inzwischen zum Kanon vieler Musikliebhaber.
    Selbst die Erweiterung eines Kanons am einen Ende verlangt doch nicht zwingend, dass Stücke am anderen Ende dafür hinausfliegen.

    Antworten
  3. thomas kroeter sagt:
    3. Mai 2018 um 20:21 Uhr

    Was soll ich dazu noch sagen außer: find ich auch. Vielen Dank für eure Kommentare, Eddy und Matthias.

    Antworten

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