“Mein Persönlicher Eindruck ist, daß sich durch den Tango viele Menschen erst einmal zum Negativen verändern. Der Tango schafft zwar Kontakt, doch menschliche Beziehungen treten vor ihm nicht selten in den Hintergrund.”(*)
Mit diesem knalligen Teaser hat ein Berliner Tangotänzer einen Hit auf Facebook gelandet. Sein Text dazu beginnt mit den Worten:
“Immer wieder höre ich diese leider wirklich oft berechtigte Klage. Und ich kenne es wahrlich auch selbst, mich unbekannt als der ignorierte Alte zu fühlen.” Innerhalb eines knappen Tages gab es mehr als 100 Kommentare (Ende offen). Er fände es schön, “wenn einige Milongas es zu einem ihrer explizit veröffentlichten Markenzeichen machen würden, dass die Initiative zur Aufforderung von beiden (oder von mir aus ‘allen’) Geschlechtern ausgehen soll und darf. Das können dann die Herren, die davor Angst haben schlicht weg bleiben und Frau weiß, dass alle damit rechnen, selbst aufgefordert zu werden. Männern eröffnet sich so die (sonst oft nur den Cracks geschenkte) Chance zu fühlen, dass Mann begehrt ist.” (**)
Ich kenne und schätze den Autor. Meine Frau mag seine spielerische Art zu tanzen. Aber ich fürchte: Die Tango-Community ist zwar ein weites Feld, wie schon der alte Milonguero Theodor Fontane wusste. Doch außer auf ein paar Inseln irgendwo zwischen Pörnbach und der Queer-Szene wird’s auch im 21. Jahrhundert so bald nichts werden mit dem Traum von der egalitären Aufforderungskultur. “Unsere Tango Welt”, wie Iona Italia formuliert, ist nämlich keine mit esoterischer Achtsamkeit parfümierte Kuschelgruppe, sondern eine durchaus hierarchisch gegliederte Leistungsgesellschaft. Oben thront die Elite, die immer brav übt und viel Geld für handverlesene Upperclass-Meetings ausgibt. Darunter bewegen sich, noch einmal mehrfach geschichtet, aber deutlich abgetrennt, die “NormaltänzerInnen”. In den Worten der Autorin, die sich unter dem Pseudonym “Terpsichoral Tangoadict” als Bloggerin international einen Namen gemacht hat:
“Du kannst Deinen Tanz nicht auf die nächst höhere Stufe bringen ohne Studium und Rückmeldung. Deshalb haben so viele Tänzer so viele Jahre verbracht, ohne Fortschritte zu machen; weshalb so viele (und das oftmals glücklich) fest stecken im Land der Langzeit-Anfänger. Sie haben ihre Komfortzone gefunden.” (***)
Das “Gschiss um Cabeceo & co” wie die Wiener Neo-Tanguera Alessandra Seitz in ihrem heimischen Idiom drastisch formuliert (****), mag durchaus nützliche Funktionen haben. Hierzulande dient es jedoch vor allem einem Zweck – als erstes Distinktionsmerkmal für die Mitglieder der Oberstufe jenseits der Langzeit-Anfänger. Wer nicht äugelt, gehört auf keinen Fall dazu. Danach beginnt die ernsthafte Auslese.
Oberstufen-TänzerInnen neigen dazu, sich ausschließlich in ihren Kreisen zu bewegen. “Downdancing” mit Menschen aus der Welt der “Langzeit-Anfänger” kommt für sie in aller Regel aus zwei Gründen nicht infrage: Es könnte sie schnell langweilen. Vor allem aber liefen sie Gefahr, in den Augen ihrer Peer-Group schlecht auszusehen. Womöglich wären sie ja nicht in der Lage, hinreichend viel von dem zu zeigen, was sie gelernt haben. Das wiederum könnte ihre Zugehörigkeit zur Elite gefährden. Deshalb ist es – mindestens in bestimmten Milongas – falsch, anzunehmen, dass jede Frau frustriert sei, bloß weil sie nicht aufgefordert wird.
“Aber…. ich will doch gar nicht mit JEDEM und JEDER tanzen. das kann doch unmöglich euer Ziel sein, oder?”
schreibt eine Teilnehmerin an der erwähnten FB-Debatte. Unvergessen bleibt mir auch die Formulierung einer Tänzerin, sie habe keine Lust, zwölf Minuten lang “bestraft” zu werden, nur weil sie einmal kurz zu nett (zu einem Auffordernden) gewesen sei. Deshalb demonstrieren manche Damen lieber im Sitzen , dass sie etwas Besonderes sind (Vorsicht, Ironie!):
“Wenn Du nicht tanzt, was die meiste Zeit der Fall ist, zeigst Du Dein Desinteresse an den anderen Tanzenden und der Veranstaltung deutlich.” (*****)
Wenn kein Tanguero auf ihrem Niveau anwesend ist, muss eben der Prosecco reichen.
Mit jemandem Tanzen zu m ü s s e n , ist in diesen Kreisen – gleich, auf welcher Seite der Gender-Grenze – eine Horrorvorstellung. Dass der Cabeceo in Zeiten entstanden ist, als noch die Mama oder eine ältere Schwester entschieden, mit wem eine junge Dame tanzen d u r f t e – wenn kümmert’s. Heute wird er zum Merkmal emanzipierten Tanzens stilisiert. Ich hab keine Lust, hier zum gefühlt siebenundneunzigsten Mal darüber zu rechten, ob das nicht eine komfortable Selbsttäuschung ist. Mir geht es um etwas anderes. Tanzen wird in diesem Verständnis ausschließlich als Selbstverwirklichung, um nicht zu sagen Selbstoptimierung verstanden. Polemisch formuliert: Tango gerät auf eine Ebene mit der operativen Straffung der Gesichtshaut oder der Vergrößerung sekundärer Geschlechtsmerkmale.
Vor einiger Zeit erinnerte mich eine (Standard)-Tanzlehrerin an die Gebräuche auf klassischen bürgerlichen Ballvergnügen. Da gehörte es zum guten Ton, dass jeder Herr an einem Tisch mit meistens zehn Plätzen mit jeder der anwesenden Damen (also mindestens fünf) tanzte – unabhängig von Alter, Gewicht und Tanzfähigkeit (und umgekehrt). Man nannte das nicht Zwang oder Mitleid, sondern gebrauchte den deutsche Begriff für die geliebten “Codigos”: Etikette. Auch “Höflichkeit” wäre möglich. Aber so etwas zu etablieren ist schwierig in einer sozialen Umgebung, da Abrazos y Besitos zwar üblich sind im inner Circle. Aber wenn’s darüber hinaus geht, schlagen manche Menschen lieber die Augen nieder, weil sie Angst haben, der freundlich erkennende Blick könnte als Aufforderung oder Einverständniserklärung zum Tanz missdeutet werden.
Nein, es m ü s s e n nicht alle mit allen tanzen. Aber manchmal möchten wir BewohnerInnen des Landes der “Langzeit-Anfänger” locker und ohne neidischen (oder hämischen) Blick auf die Oberstufen-Tänzer sagen: Nein, das sag’ ich jetzt nicht…
(*) Ralf Sartori, Petra Steidl, Tango. Die einende Kraft des tanzenden Eros, Bastei Lübbe, 2001, S. 58. Original-Rechtschreibung.
(**) Tom Opitz 5. 2. 2019 auf Facebook.. Gehard Riedl, der schon oft über diese Thematik geschrieben hat, war mit seiner Auswertung der jüngsten Debatte wie immer schnell: https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/02/mehrere-seiten-einer-medaille.html . Auch ich habe mich in meiner eher gemächlichen Art mit dem Thema mehrfach beschäftigt: http://kroestango.de/aktuelles/warum-ich-nicht-gern-aufgefordert-werde/, http://kroestango.de/aktuelles/hola-chico-oder-darf-ich-bitten-mein-herr/. Und als positive Beispiele: http://kroestango.de/aktuelles/wenns-auf-uns-maenner-nicht-so-ankommt/, http://kroestango.de/aktuelles/mittagsspitzen-ueber-grog-und-cabeceo/
(***) Iona Italia, Our Tango World, Volume one: Learning & Community, milonga press 2018, 257 S., S. 12. Die Hervorhebung stammt von mir.
(****) http://tan-do.net/atango/2018/04/24/das-gschiss-um-cabeceo-co/
(*****) Den Begriff verdanke ich dem Drei-Mädel-Blog https://berlintangovibes.com/2018/08/15/down-dancing/. Dort wird er sogar eingeschränkt positiv verwandt. https://berlintangovibes.com/2019/01/27/10-dinge-an-denen-alle-merken-sollen-dass-du-zu-den-tango-vips-gehoerst/#more-3014
11 Comments
Danke fürs Aufgreifen und gedanklich so schön bereichernde Vertiefen und Erweitern Thomas!
Das Problem ist und bleibt und läßt sich durch gegenseitige Cabeceos nicht beheben – das funktioniert doch längst auf vielen Milongas, ohne daß es extra herausgehoben werden muß. Solange es – glücklicherweise – keine Pflicht gibt, mit jedem respektive jeder tanzen zu müssen, wird es immer ganz individuelle Gründe für einen Korb, in welcher Gestalt auch immer, geben. Was wirklich hilft, ist Kommunikation. Man kennt sich vom Sehen, macht etwas small talk, und mit der Zeit auch wirklich nette Gespräche – sozialen Kontakt nennt man das wohl. Und wenn man sich kennt, tanzt man mit viel größerer Wahrscheinlichkeit auch miteinander, eben weil man sich kennt. Und Neubesucher brauchen da eigentlich keine Angst haben, denn da gibt es ja noch das Neugierphänomen….
Christian Paschen
P.S. der betrefffende Tänzer hat einer spielerischen und sehr schönen Stil – Damen, die ihn verschmähen, sind selbst schuld.
Der Tango schützt einen nicht vor dem wirklichen Leben. Wie soll er das auch. Die Menschen die da tanzen ändern sich nicht dadurch, dass sie tanzen. Ganz im Gegenteil. Aber auch das wirkliche leben hat glückliche Momente. Also Kopf hoch, Leute. 🙂
Tango kann auch eine Ersatz-Soziotop darstellen, in dem man auch um seinen Status ringen kann, auch durch “Selbstoptimierung”. Aber den vermittelten Eindruck, dass die “Oberstufen-TänzerInnen” verbissen um ihren Status kämpfen während die “Langzeit-Anfänger” in ihrer Komfortzone rumdümpeln halte ich für pure Sozialromantik. Entspannte und unentspannte Einstellungen gibt es querbeet – genau wie Brustvergrößerungen.
Und sofern “Männermangel” das grundlegende Problem darstellt, lässt es sich durch eine wie auch immer geartete Aufforderungsinitiative nur verschieben.
Moin,
ob hier, bei facebook oder auf anderen Blogs immer wieder ein Thema, das in unterschiedlichsten Varianten durchventiliert wird…
Der Anspruch lautet: „Alle sollen unbedingt mit MIR tanzen (wollen)“ (vor allem natürlich die Tänzerinnen/Tänzer mit hohem technischen Level, ist ja klar…). Wollen sie es nicht, sind sie böse Selbstoptimierer, die nur an sich und keinen anderen denken… (dass diejenigen, die unbedingt wollen, dass die anderen mit ihnen tanzen, auch „nur“ an sich selber denken, fällt da gerne mal unter den Tisch… ein Schelm, wer Böses dabei denkt… 😉
Meine Erfahrung ist: es möchte nicht jeder mit jedem immer tanzen. So ist einfach die Realität, ob ich sie akzeptiere oder nicht, wird daran nichts ändern. Und das gilt ausnahmslos für alle Milongas, an denen ich bislang teilgenommen habe: von der Dorf- über die Großstadtmilonga hin zu Neotango-Festivals, Queertango-Veranstaltungen oder Marathons. Das ist einfach menschlich, auch wenn es mir nicht immer gefällt und ggf. am eigenen Ego kratzt.
Verstärkt findet sich das Ganze dort, wo das technische Level stärker auseinanderdriftet und es weniger soziale Bindungen/Kontakte gibt (Großstadtmilonga/Marathon), weniger dort, wo open role getanzt wird (Queertango/open-role-Events) oder jeder jeden kennt und das technische Level ähnlich ist (Dorfmilonga).
Mein Lösungsvorschlag (zu der Ausgangsfrage: „Wieder sitzen geblieben auf der Milonga?“):
1. Such dir die Veranstaltungen, die für dich passen
2. Akzeptiere, dass nicht jeder gerne mit dir tanzen möchte
Gruß Tom
Klar: Es möchte nicht jeder mit jedem tanzen.
Nur: Im Leben gibt es vieles, was man nicht wirklich möchte und dann doch macht:
Vielleicht ein Weihnachtsgeschenk für den Onkel kaufen, mal wieder die Oma besuchen, die Geburtstagsparty des Chefs besuchen oder den Müll rausbringen, weil es die Partnerin möchte.
Man nennt das fallweise Rücksichtnahme, Höflichkeit oder gesellschaftliche Konventionen.
Und man wird dann durchaus danach beurteilt, ob man – aus Rücksicht auf Dritte – auch über seinen Schatten springt oder zu dem Menschentyp gehört, für den die Umsetzung des eigenen Lustprinzips oberstes Gebot ist.
Die Tangoszene hat die Wahl, wo sie in der Außenwahrnehmung eingeordnet werden will.
Moin Gerhard,
ja, das ist dann der zweite Schritt: tanze ich vielleicht doch mit demjenigen, auch wenn ich gerade nicht so viel Lust dazu verspüre…?
Ich selber habe noch nie einen Tanz abgelehnt und habe auch nicht vor, das in Zukunft zu tun. Aber ich respektiere auch andere Ansichten dahingehend und dass es Veranstaltungen gibt, die nicht sonderlich offen sind oder erscheinen. Ich stell mir halt die Frage, was es mir bringen soll, mit Menschen zu tanzen, die keine Lust darauf verspüren. Da geh ich lieber dorthin, wo ich willkommen bin. Ich bin zudem auch sehr stimmungsaffin und wenn eine Milonga keine offene Atmosphäre versprüht, tanze ich meist auch “schlechter” (gefühlt zumindest).
Was mir selber zuweilen und in der Szene des öfteren m.E. fehlt, ist eine gewisse Experimentierfreud: im Hinblick auf Musik, aber auch dahingehend, neue und unbekannte Menschen aufzufordern und es einfach mal auszuprobieren. Ich fordere öfters mal nach dem Zufallsprinzip auf und das führt häufig zu ganz spannenden Ergebnissen.
So hab ich im letzten Sommer mit einer recht alten Dame eine Pugliese-Tanda getanzt, die einfach herrlich war und an dich mich immer noch gerne erinnere…
Offen zu sein für Neues und sich von der Magie des Augenblicks überraschen lassen, das klappt mit neuen und unbekannten Tanzpartnern oftmals besser als mit denen, mit denen man eh schon oft getanzt hat.
Ich seh es insgesamt so, dass die Tango-Szene recht bunt und vielfältig ist. Da ist für jeden was dabei und das finde ich sehr gut so. Wenn es Initiativen gibt, die Milongas “aufforderungsfreudiger” gestalten: prima. Letztlich ist es aber doch so, dass sich da jeder an die eigene Nase fassen und bei sich selbst anfangen kann, sowohl was Offenheit als auch Toleranz anbelangt.
Gruß Tom
Lieber Tom,
da kann ich vieles gerne unterschreiben!
Und was den Griff an die eigene Nase bezüglich Offenheit und Toleranz betrifft: Da ich unter realem Namen blogge und tanze, stehe ich ganz gut unter Beobachtung und werde bei Verstößen gegen das von mir Publizierte öfters darauf hingewiesen. Durchaus ein Vorteil!
Gruß
Gerhard
Hallo, vielen Dank für das Zitat!
Bei unserer Neolonga ist jedem klar, dass er oder sie möglicherweise auch verbal aufgefordert wird. Kommen neue Gäste, sagen wir denen das auch und ermutigen sie, das auch zu tun. Bei uns tanzen wir auch queer… Jeder nach Lust und Laune und es funktioniert. Die Neo Szene in Wien ist zwar klein, aber es sind wirklich coole TänzerInnen und Menschen. Es macht so viel Spaß Musik für sie und uns zu machen. Ich habe als DJane ja den Vorteil zu wissen was kommt, und so fordere ich beispielsweise den auserkoren Tänzer mit den Worten auf: machst du mir bitte den Schwan? Wenn ich Schwanensee reloaded spiele. Bisher hat noch keiner nein gesagt, aber ich wäre auch nicht gekränkt, wenn es passiert, weil man muss nicht immer mögen und dafür gibt es viele Gründe und das akzeptiere ich selbstverständlich. Und ich bin der Meinung, da muss man nicht beleidigt sein und auch nicht an sich selbst zweifeln. Ist mir ja auch schon passiert, aber halt nicht zum Schwan, weil da waren sie immer ganz gespannt, was jetzt passiert…. 🙂 also, wenn ihr tanzen wollt, wie euch der Schnabel gewachsen ist, mit der einzigen Regel “Respekt”, dann kommt zur XPT nach Wien wir freuen uns auf euch 😁
Liebe Grüße aus Wien
Alessandra und Peter
Was rar ist, gilt als wertvoll und wer sich rar macht wird meistens begehrt. Einfache Küchenpsychologie. Die Szenenbildung hat diverse Motivationen, mitnichten ist sie nur der Technik geschuldet. Schon hier offenbart sich ein gewaltiger Denkfehler. Tango umschliesst viel mehr als nur technische Fähigkeiten, so z.B. Musikalität, Musikkultur und Kultur im Allgemeinen (was anderswo schon diskutiert wird).
Es gibt einige selbsternannte “Eliten”, wo es – in einfachen Worten – einfach nur darum geht potentielle Sexualpartner zu finden. In diesen Kreisen verkehren meist nur “attraktive”, junge oder jungwirkende TänzerInnen, die auch nur solche zulassen (auch Anfänger). Die Gruppen zeichnen sich meist auch durch uniforme Bekleidung aus. Hosen und Schuhe müssen vom DNI in Buenos Aires stammen, Farben etc. sind nicht dem Zufall überlassen. Natürlich grüsst man nur die Zugehörigen. Alle vermeintlichen Sozialkompetenzen, die im Berufsalltag als grosse “Skills” hervorgehoben werden, sind plötzlich nichtexistent.
Altes, faltiges Fleisch und falscher BMI sind unerwünscht. Weisses Haar haben bestenfalls ältere Autoritäten, die diese Szenen gegründet haben. Tanzniveau meist ewig gleich ohne jede Entwicklung. Gewiss man besucht Workshops bei den “angesagten” Lehrern, aber der Wille auf Fortschritt beschränkt sich auf “eine gute Figur machen”.
Musikalisch kann man nicht einen Biaggi und einen Troilo auseinander halten. Gewiss, schon tausendmal gehört. Die Stücke sind bekannt. Was aber die intrinsischen, musikalischen, rhythmischen Unterschiede angeht, die Dramaturgie und sogar die Texte, interessieren niemand.
Dann gibt es tatsächlich die gewachsenen Szenen, wo technisch versierte Tänzer verkehren, die viele Jahre aktiv waren.
Da orte ich allerdings häufig ein grosses Missverständnis. Denn: Wer sich international für Workshops interessiert, wird häufig angehalten aufzuzählen, wie lange er oder sie schon tanzt. Da kommen gut und gerne viele Jahre zusammen. Wer allerdings nur fünfmal im Jahr eine Milonga besucht wird kaum grosse Subtilität entwickelt haben.
Da auch diese Szenen “schwierig” zu knacken sind, sollte man unablässig “socializing” betreiben. D.h. die einen oder andere Person immer wieder einmal sprechen, von den “dummen, anderen” ablassen. Mir fallen hierzu die Ermahnungen vieler Mütter ein: “Mit was für Leuten hast du denn Umgang?”
Ja, sehr wichtig, der richtige Umgang. Und langsam, sehr langsam wird man im Kreis der Eingeweihten und der Erleuchteten aufgenommen. Das ist so in Europa wie in Buenos Aires.
Die “ewigen Anfänger”, die schon nach einem einzigen Tango-Kurs ihre Konfortzone gefunden haben, finde ich auch nervig. Just solche Männer, die sich damit begnügen eine Frau umarmen zu dürfen und mir dann die Tänzerinnen “kaputt” tanzen (“vermurkst”) nerven!
Es gibt auch ewigie Anfänger, die schlicht und einfach zu wenig Zeit haben, aber viel Talent mitbringen.
Es gibt ewige Anfänger, die sozial – weil z.B. zu alt – ausgeschlossen werden und keine Chance haben “aufzusteigen” in den Tango-Olymp.
Es gibt auch ewige Anfänger, die schlichtweg chaotisch, unmusikalisch etc. sind.
Es gäbe noch andere Peer-Groups. Aber um eine Abkürzung zu nehmen: Wer nicht zu den drei oben genannten Gruppen gehören möchte, kann oder will, muss sich verstärkt sozial vernetzen bzw. eigene Anlässe organisieren, abmachen usw. Das Potential ist riesig, wenn man den vorgegebenen (Denk-)frame verlässt, wie übrigens überall im Leben.
Ich bitte um ein wenig Geduld, bis ich auf diesen umfangreichen Beitrag antworte.