Ich kenne Alessandra Seitz nicht persönlich, nur aus ihren Veröffentlichungen im Internet – aus ihrem Blog „tan-do.net“ und der dazugehörigen Site, aus ihren Texten auf Facebook. Durch die ungewöhnlichen Videos, die sie und ihr Mann Peter veröffentlichen. Die beiden leben in Wien und organisieren Neolongas. Alessandra hat sich nach „Kuschelparty und Tangasmus“ auf Facebook gemeldet und einen Beitrag dazu in ihrem eigenen Blog verfasst. Ich hab’ sie gefragt, ob sie einen Kommentar oder vielleicht sogar einen Gastbeitrag bei mir schreiben möchte. Dies ist das ungewöhnliche Ergebnis. Das Intro-Video hat sie Anfang 2016 auf Youtube veröffentlicht.
Haben Sie noch Sex, oder spielen Sie schon Golf? Oder tanzen Sie Tango? Was hat das nun alles miteinander zu tun?
Nun mehr als man zunächst einmal glauben möchte. Also, der Spruch mit Sex und Golf ist natürlich reine Verarsche der Nichtgolfer, die meinen, Golf sei der langweiligste Sport auf Gottes weiter Welt. Dem ist aber wahrlich nicht so.
Mit Sex und Tango sieht es da schon ganz anders aus. Mich hat jedenfalls noch niemand blöd gefragt : haben Sie noch Sex, oder tanzen Sie schon Tango? Au contraire, da geht der Außenstehende davon aus, dass man quasi nach jeder Tanda im Separee verschwindet…. Gut das ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber nicht viel
So, und was hat nun Tango mit Golf zu tun?
Es gibt hier wie da einen Führenden und einen Folgenden. Beim Tango: ein Mensch führt und ich folge. Beim Golf: ich führe und der Ball folgt. Sowohl beim Tango als auch beim Golf ist es extrem wichtig, seine Achse zu halten, im Gleichgewicht zu sein, nicht die Balance zu verlieren.
Beim Tango brauche ich die Verbindung zum Partner, die Arme sind Werkzeug, die Füße das “Spielzeug”. Beim Golf sind die Arme Werkzeug. Der Schläger ist mein Spielzeug. Das ist vereinfacht gesagt, denn der restliche Körper muss schon auch was etwas tun. Aber das auszuführen, würde zu weit führen und fad werden.
Sowohl beim Tango als auch beim Golf ist es notwendig, konzentriert und fokusiert zu sein, denn sonst geht gar nix. Und sowohl beim Tango als auch beim Golf wird tunlichst nicht gesprochen in der heißen Phase, sprich während des Tanzes, beziehungsweise während des Schlages…. Wegen der Fokusierung.
Und beides ist errrrrrotisch!!!
Ja, ja… da gibt’s gar nix zum Lachen, ihr müsst euch das so vorstellen: Ich habe ein Golfturnier (Milonga): Natürlich bin ich schon ein wenig aufgeregt. Es kribbelt im Bauch, wie früher vor der Matheschularbeit. Nicht ganz unangenehm, aber mir ist doch fast a bisserl schlecht. Ich will ja zumindest unter die ersten zehn, besser noch unter die ersten drei. Nein, eigentlich will ich gewinnen. Man hat ja schließlich einen Ehrgeiz! Man will doch eine gute Figur machen auf dem Tanzboden. Nein man will die beste Figur machen. Aber die Vorfreude ist auch da. Das war vor der Schularbeit allerdings nicht so. Es ist ein sonniger Morgen die Vögel zwitschern… es ist eine laue Sommernacht – was zieh ich an???
Ich will ja schließlich chic aussehen. Aber beim Golf darf man nicht allzu sexy gedressed erscheinen. Also weiße Hotpants und ein rotes Tanktop mit Kragen und die weißen Nike Airs mit softspikes. Ein bisserl sexy darf es schon sein… Geschlitzter schwarzer Satinmini, Corsage mit roten Bändeln, eine rote Rose. Neeein nicht zwischen den Zähnen, im güldenen Haar natürlich.
Zum Frühstück bring’ ich nix hinunter. Ich ess lieber nix vorher. Sonst bin ich zu blad und kann mich nicht grazil bewegen. Nur einen Kaffee und wegen der Aufregung : Eine Zigarette.
Auf zum Golfplatz hinein ins Clubhaus. Auf zur Milonga, hinein in die Kaschemme, rotes Licht und kühne Männer. Die sportlichen und weniger sportlichen Mitstreiter sitzen schon an der Bar und auf der Terrasse. Mal sehen, wer alles da ist. Mit wem werd ich spielen? Ein Blick in die Runde: Wo sitzt die Konkurrenz. Wo finde ich die Objekte der Begierde? Mit wem werd’ ich tanzen?
Das flaue Gefühl ist immer noch da, vielleicht sogar a bisserl stärker. Ich nehme mir von der Bar ein paar gekühlte Getränke mit und gehe zum ersten Abschlag. Ich setz mich an die Bar. Da wird man gesehen. Ich bestell mir ein kleines Glas Wein…. Man darf nicht zu viel trinken beim Tango. Achtung, Achse! Achtung, Gleichgewicht!
Meine drei Partner sind schon da. Die eine kann ich aber gar nicht leiden. Die blöde Kuh sitz auch schon wieder in der Ecke mit ihrer Tussenfreundin. Na, macht nix. Dann muss ich wenigstens nicht plaudern. Die anderen beiden sind Herren mit sehr niedrigem Handicap. Das ist gut. Das macht Spaß .
Ahhh, da drüben sitzen diese beiden begnadeten Tänzer….was für ein Glück!
Ich bin als zweite mit dem Abschlag dran. Los geht’s: Ich ziehe meinen Driver aus der Tasche. Langsam, behutsam, gefühlvoll. Ich nehme meinen Ball – Callaway nur vom Feinsten, versteht sich. Ich bücke mich sportlich elegant und lege ihn aufs „T“. Ich nehme den richtigen Abstand zum Ball ein. Ich umfasse den Griff meines Drivers mit beiden Händen… Du musst ihn halten, wie du ein Vögelchen halten würdest – grad so fest, dass es nicht davon fliegen kann.
Ich spüre meine Achse, stehe stabil, spüre den Schläger in meinen Händen. Es fühlt sich gut an. Ich höre und sehe nichts mehr um mich herum, nur der Ball, der Driver und ich. Wir sind eine Einheit. Langsam führe ich das Holz eins hinter meine linke Schulter, schwinge ab und treffe den Ball mit diesem satten Klang, den ich so liebe und er folgt, er fliegt und fliegt und alles ist gut.
Ich lasse mich vom Barhocker gleiten, elegant, grazil lande ich auf meinen blutroten „Comme il faut“-Schühchen mit satten neun Zentimeter Stilettos. Langsam bewege ich mich auf diesen begnadeten Tänzer zu. Ich suche seinen Blick, erhasche ihn in tiefem Schwarz. Er kommt auf mich zu und umfasst meine linke Schulter. Ich sehe und höre nichts mehr um mich herum., Ich bin total fokusiert. Es gibt nur mehr ihn und mich und den satten Klang der Musik, die ich so liebe. Leonard Cohen, I want it darker….. Und alles ist gut!
Ich könnte jetzt noch stundenlang so weiterschreiben, ich bin im Flow…
Aber ich will euch ja nicht langweilen mit dem kurzen Spiel und dem Einlochen. Also lassen wir es dabei….. Ich flowe weiter und wünsche euch eine gute Zeit – sei es beim Tango, sei es beim Golfen, bei was auch immer euch Spaß und Freude bereitet!
Herzlichst eure
Alessandra
PS: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und Situationen sind rein zufällig. Oder so
10 Comments
Ich denke wo man im sozialen Umfeld Partner sucht – ganz egal ob Boxen, Golf, Sex, Tango, Taubenzüchten oder Tennis – sind die grundlegenden Vorgehensweisen ähnlich. Und immer gibt es dabei Konservative und Rebellen.
[…] Golf oder Sex oder Tango… […]
Haber ich das richtig verstanden? Der oder die Folgende beim Tango wird mit einem Golfball beim Golf verglichen, bzw. gleichgestellt? Mit einem Sportgerät sozusagen?
Liebe Alessandra,
ich oute mich, auch ein TanGolfer zu sein. Und kann daher sehr gut die von Dir beschriebenen Analogien verstehen! Ich fürchte allerdings, es ist schwerer nachzuvollziehen für diejenigen, welche nur Tango oder Golf praktizieren…
Und was den Sex anbelangt: Als Artikelüberschrift hätte ich gewählt: Golf UND Sex UND Tango!
Habe ich das richtig verstanden? Der oder die Folgende beim Tango wird mit einem Golfball verglichen? Sprich mit einem seelenlosen Sportgerät?
Gar nicht so schlecht, wie Du das verstanden hast: Wenn die Folgende nur folgt, ist sie tatsächlich ein seelenloses Sportgerät!
haben die vielleicht doch mehr als einen Wein getrunken?
You want it darker als Nontango? Interessant…
Harri, wie auch immer die Folgende sich entscheidet zu folgen, bleibt sie dabei eines von zwei Subjekten des Tanzes. Ein Golfball ist und bleibt jedoch ein Objekt, egal wie technisch perfekt und geradezu mitfühlend er vom Golfenden behandelt wird.
Ich will hier ja nicht Deine Leserpost beantworten, liebe Alessandra, aber… näher als bis zum Mini bin ich an das Golfen bisher auch nicht herangekommen. Doch könnte ich mir vorstellen, dass ein(e) Spielerin angesichts der Eigenwilligkeiten eines Golfballes nach dem sorgfältig eingeleiteten Kontakt mit dem eignen Eisen durchaus nicht der Meinung ist, es mit einem seelenlosen Sportgerät zu tun zu haben.