Carlos Di Sarli “hat mir eingeschärft, dass ein Sänger niemals schreien darf, und dass ich immer meine mittlere Stimme gebrauchen soll, eine Phrase so ausdrückend, als ob ich sie spräche – nur mit Musik. Sein ständiges Beispiel war (Carlos) Gardel”.
Alberto Podesta
(zit. nach: Michal Lavocah, Carlos Di Sarli, S. 92)
Dass es einmal als historischer Moment geltend würde, als der gefeierte Star in New York einem kleinen Emigranten-Knaben aus Argentinien begegnete, konnte damals niemand ahnen. In einem Luxushotel trafen sie zusammen – die beiden größten Musiker in der Geschichte des Tango: Carlos Gardel und Astor Piazzolla. Der eine war auf dem Höhepunkt seiner kurzen Karriere. Die des anderen hatte noch längst nicht begonnen. Der eine konnte keine Noten lesen, der andere brachte den Tango in die klassischen Konzertsäle. Aber eins hatten sie gemeinsam: Die Tänzerinnen und Tänzer waren nicht ihr Zielpublikum. Sie machten Musik nicht für die Füße, sondern für die Ohren und damit für viel mehr Menschen als die Heroen des großen Dance-Craze der “Goldenen Epoche” de Tango.
Der Mann, den sie “die Drossel” nannten, weil er so scheinbar mühelos schön sang wie ein Vogel, hatte auf Anhieb einen Narren an dem aufgeweckten Knaben gefressen, der über die Feuerleiter ins Schlafzimmer seines Textdichters Alfredo Le Pera eingestiegen war. Er sollte ein kleines Geschenk seines Vaters Vicente überbringen. Der Friseur war ein großer Fan des Stars. Der Junge mochte lieber Jazz.
Gardel wollte Astor mit auf seine Tournee durch Südamerika nehmen. Als Faktotum. Aber Asunta Manetti sagte Nein. Piazzollas Mutter mochte ihren 12-jährigen nicht allein mit wildfremden Musikern durch fremde Länder ziehen lassen. Sein und unser Glück. Denn sonst wäre er wohl mit an Bord jenes dreimotorigen Flugzeugs vom Typ F 31 gewesen, das am 24. Juni 1935 um 15.20 Uhr auf dem Flugplatz von Medellin in Flammen aufging. 17 Menschen starben – darunter der Hit-Texter Alfredo le Pera, in dessen Fenster der kleine Astor eingestiegen ist und eben Carlos Gardel. Der Sänger mutierte auf diese Weise vom Musiker zum Mythos. So ist es bei einem Sekunden-Auftritt Piazzollas als Zeitungsjunge im Film “El Dias que me qieras” geblieben. (1)
Auf seine Weise war Carlos Gardel ein typischer “Porteno”, auch wenn er ein paar Kilometer weit weg vom Hafen aufwuchs – im Viertel um den alten Großmarkt Abasto. „Die Mexikaner stammen von den Azteken ab,” hat der mexikanische Literatur-Nobelpreisträger Ottavio Paz formuliert, “die Peruaner von den Inkas – und die Argentinier von den Schiffen.“ Aber anders als den meisten von ihnen gelang es ihm, seinen Traum vom sozialen Aufstieg in der Fremde, die nun seine Heimat war, mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu verwirklichen.
Geboren wurde Charles Romuald Gardes am 11. Dezember 1890 im französischen Toulouse. Mit seiner Mutter Berthe Gardes ist er auf dem portugiesischen Schiff “Don Pedro” als Kleinkind nach Buenos Aires gekommen. Sein anderweitig verheirateter Vater Jean Paul Lasserre, ein professioneller Dieb, spielt in seinem Leben keine Rolle. Lange rankten sich Spekulationen um Gardels Herkunft. Der Legende, er sei kein Franzose, sondern stamme aus Uruguay, trat er selbst nicht eben entschieden entgegen. Denn er hatte keine Lust, 1914 für die “Grande Nation” in den Krieg zu ziehen. Mit dem ihm eigenen Humor quittierte Gardel, wie er sich inzwischen nannte, die Gerüchte einmal mit dem Satz: “Ich bin in Buenos Aires geboren… im Alter von zweieinhalb Jahren.”
Mein Interesse für Carlos Gardel war zunächst eher kulturgeschichtlich bedingt als musikalisch. An die scheppernden Gitarren in seiner Begleitung hab ich mich nur langsam gewöhnt. Seine schmalzigen Filme fand ich ziemlich peinlich. Heute liebe ich sie – jedenfalls jene Stellen, in den seine Lieder erklingen. Denn hier sind sie begleitet von einem Orchester zu hören – arrangiert und geleitet von Terrig Tucci, einem viel zu wenig gewürdigten Musiker. Wenn ich schon Tango tanze, dann wollte ich etwas über den Menschen erfahren, der in Buenos Aires und darüber hinaus wie eine Ikone verehrt wurde und wird. Außerdem irritierte mich, dass er unter europäischen Tangofans so gut wie keine Rolle spielt. Die Frankfurter DJane und Autorin Karin Betz nennt ihn in einem Radio-Feature den “bekannteste(n) unbekannte(n) des Tango”. In seiner Zusammenstellung der Aufnahmesessions von Francisco Canaro erwähnt Michael Lavocah die Termine mit Gardel nicht einmal, wahrscheinlich weil er sie nicht unter “Tanzmusik” rubriziert. Ich bin gespannt, wie der Guru der “Epoca D’Oro” es in seinem geplanten Buch über “El Kaiser” halten wird. Bei meinem Kurztrip nach Buenos Aires war ein Besuch an Carlitos’ Grab ein Pflichttermin für mich. (2)
Ähnlich anderen Tango-Musikern vor und nach ihm tat er sich zunächst auf Familienfeiern und Nachbarschaftsfesten hervor. Er war kein schlechter Schüler, trieb sich aber lieber herum, bis er feststellte, dass mit seiner Stimme Geld zu verdienen war. Zu seinem Gelegenheitsarbeiten zählten auch Jobs im “Theatro Colon” in Buenos Aires, wo er fasziniert den Sängern lauschte. 1911 traf er Jose Razzano – seinen langjährigen Gitarristen, Gesangspartner und zeitweiligen Manager. Gemeinsam tummelten sie sich in allen möglichen Spielarten von Volksmusik. Schon 1912 traten sie im berühmten Cabaret/Restaurant “Armenonville” auf. Das Duo wuchs zum Trio. Die Erfolge wurden größer. Erste Schallplattenaufnahmen kamen zu den öffentlichen .Auftritten hinzu. Am Ende waren es mehr als 1500. Fast doppelt so viele wie Bing Crosby, dessen Karriere um einige Jahrzehnte länger währte.
Lange war der Tango im Repertoire Gardels und seiner Begleiter nur ein Genre unter anderen. Doch dann kam das Jahr 1917. Er stieß auf den Tango “Lita”. Der Sänger und Autor Pasqual Contursi hatte auf die Melodie dieses ursprünglich instrumentalen Stücks einen wehmütigen Text verfasst. Gardel war fasziniert. Nur der Titel missfiel ihm. Contursi akzeptierte seinen Gegenvorschlag: “Mi noche triste”. Der “Tango Cancion” war geboren. Der Rest ist Geschichte…
Percanta que me amurastes/en lo mejor de mi vida/dejandome el alma herida/y espina en el corazon,/sabiendo que te queria,/ que vos eras mi alegria/y mi sueno a abrasador,/para mi ya no hayconsuelo/y por eso me encurdelo pa’ olividarme de tu amor…
Schickse, du bist verduftet,/in der Blüte meiner Jahre,/hast mine Seele verwundet und einen Dorn im Herzen hinterlassen,/ wohl wissend, dass ich dich liebte,/dass du meine Freude warst/und mein heißer Traum./ Für mich gibt’s keinen Trost mehr,/ich kipp mir einen hinter die Binde, um deine LIebe zu vergessen… (3)
Auch die Tanzkapellen, in denen der Gesang lange keineswegs im Mittelpunkt stand, kamen bald nicht mehr ohne die menschliche Stimme aus. Im Lauf der Zeit avancierten die Sänger zu den eigentlichen Stars der “Orchesta tipica”. Es heißt, der Gesang setze in den meisten Tangos deshalb erst so spät ein, weil die Damen sonst auf der Pista stehengeblieben wären, um ihren Lieblingen zu lauschen. Wegen seines tragischen Todes kursiert in Buenos Aires bis heute der Aberglaube, es bringe Unglück zu tanzen, wenn seine Stimme aus dem Lautsprecher erklinge.
Gardels Karriere nahm ziemlich schnell Fahrt auf. Bald sang er nicht mehr im Buenos Aires der einfachen Leute, sondern fasste Fuß in der High Society. Er erhielt Engagements bei Empfängen für ausländische Staatsgäste wie den britischen Kronprinzen Edward. Längst trat er nicht mehr in folkloristischen Kostümen auf. Seine Arbeitskleidung war hinfort der Abendanzug mit Weste und Fliege. Auf dem Kopf trug er keine proletarische Schiebermütze, sondern einen Fedora. In seinen zehn Spielfilmen ist er immer wieder als Lebemann zu sehen, der es zu etwas gebracht – aber seine einfache Herkunft nicht vergessen hat.
Doch je bekannter er wurde, um so seltener hielt Carlos Gardel es in Argentinien aus. Er genoss das Leben eines reisenden Stars in Europa, vor allem Spanien und Frankreich sowie in den USA. Im angesagten Pariser Nachtclub “Florida” war er Stammgast. Dass die Menschen die Texte nicht verstanden, schmälerte seine Popularität nicht. Sie liebten seine Stimme. An der Cote d’Azur traf er Berühmtheiten wie Charly Chaplin und half 1931 seinem Freund Julio de Caro durch einen spontanen Auftritt bei dessen Debut im “Palais der Me´diterrane´e” vor der Hautevolee der Cote d’Azur über das Lampenfieber hinweg.
“Buenos Aires ist schön” sagte er in einem Interview, aber wenn man Paris kennen gelernt haben habe, “dann kann es nicht mehr befriedigen. “Nicht dass ich ich sie nicht mag. Aber unsere Stadt ist so monoton. Das Problem sind die Argentinier mit ihrer Beerdigungsseriosität. In Europa sind die Menschen offener. Dort können sie sich besser vergnügen.”
In Frankreich drehte Carlos Gardel seinen ersten großen Tonfilm: “Luces de Buenos Aires”. Weitere sollten folgen. Er träumte von einer Karriere als internationaler Leinwandstar. Sein Vorbild: Der Franzose Maurice Chevalier. Dessen Englisch war auch nicht viel besser als seins. Aber er konnte ganz ansehnlich tanzen. Obendrein war er leidlich komisch und vor allem: Anders als im Falle Gardels traute seine Filmgesellschaft ihm eine Karriere außerhalb des eigenen Sprachraums zu.
Zum Soundtrack der “Lichter von Buenos Aires” trug auch de Caro bei. Unter anderem unterstützte er Gardel, der keine Noten lesen konnte, bei der Komposition von “Tomo y obligo”. In dem kleinen Filmausschnitt in diesem Artikel erleben wir beide: Carlos Gardel mit einem Lied, das eine besondere Bedeutung in seinem Leben bekommen wollte, und das Orchester seines Freundes. Die zwei verband auch der gemeinsame Geburtstag am 11. Dezember – 1880 kam der eine zur Welt, neun Jahre später der andere.
Dieser Zufall brachte den Musikproduzenten Ben Molar auf die Idee mit dem “Dia del Tango”. Auf dem Weg zu De Caros Geburtstagsparty 1964 dachte er plötzlich: “Lustig”, sein Gastgeber und Carlos Gardel waren am selben Tag geboren worden – “zwei Wege des Tango: Die Musik und die Stimme”. Länger als ein Jahrzehnt brauchte er, um die politisch Verantwortliche in Buenos Aires für seine Idee zu gewinnen den 11. Dezember zum “Dia del Tango” auszurufen. Seit 1975 gibt es ihn nun – den “Tag des Tango”.
Aber die wachsenden künstlerischen wie kommerziellen Erfolge und der gesellschaftliche Aufstieg änderten nichts an zwei Konstanten in Carlos Gardels Leben: Seinem Fleiß und der engen Beziehung zu seiner Mutter. Der Sänger hörte nie auf, seine Stimme zu trainieren und mit seinen Musikern zu proben.Drei Stunden am Tag waren das Minimum. Mit diesem unermüdlichen Fleiß ging er seinen Gitarristen ein ums andere Mal gehörig auf nie Nerven.
Dennoch hätte er hinreichend Gelegenheit gehabt, als “Latin Lover” zu reüssieren. Aber so weit wir wissen, führte Gardel ein weitgehend monogames Leben. Als seine langjährige Freundin wird Isabelle del Valle genannt. Zum Teil lebte sie (einschließlich ihrer Familie) auf seine Kosten. Darüber kam es irgendwann zum Konflikt mit seinem Management. Auch ein anderer Frauenname wird genannt. Einer! Aber dass er in größerem Maße von seinen – zweifellos vorhandenen – sexuellen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hätte – davon ist nichts bekannt. Im Gegenteil. Die wichtigste Frau in seinem Leben blieb sein Mutter. Bei ihr wohnte er lange und versorgte sie bis zu seinem Tod. “Seine Lieder waren seine Frauen.” Die pathetische Behauptung des Tangodichters Francisco Garcia Jimenez ist bis heute nicht widerlegt.
War er womöglich homosexuell? Gäbe es darauf Hinweise, sie wären sicher auch in die mir zugängliche englischsprachige Literatur gedrungen. Sicher ist: Gardel war ein Nachtmensch. Nach Konzerten zog er gern mit einigen (männlichen) Freunden um die Häuser und ließ sich dabei nicht lumpen. Er trank und lud ein. Und er rauchte. Ärztliche Bedenken wegen seiner Stimmer quittierte er mit dem lakonischen Hinweis: “Wer schafft es schon, das aufzugeben?”. Die Stimme hielt´s aus. Aber der Sänger starb ja schon mit 45 Jahren. Wer weiß, wie sie geklungen hätte, wäre er 70 geworden wie Robert Goyeneche?
Eine Leidenschaft allerdings, die ihn an die Grenzen seiner (finanziellen) Möglichkeiten brachte, bekam er nie in den Griff. Die Wettleidenschaft. Eine Mode in der besseren Gesellschaft seiner Zeit. Davon erzählt eins seiner bekanntesten Lieder. Die Melodie aus seinem letzten Streifen “Tangobar” fand nach seinem Tod in vielen Filmen Verwendung – “Von Duft der Frauen” bis “Schindlers Liste”.
Doch schon bald wurde das fröhliche Lied aus Carlos Gardels erstem Film zu seinem Schwanengesang. Er beendete seine Südamerika-Tounee mit einer Radioshow im kolumbianischen Sender “La voz de la Victor” (gesponsert von jener Fluggesellschaft, die ihn transportiert hatte), die am frühen am frühen Morgen des 24. Juni 1935 zu Ende ging. Der letzte Song “Tomo y obligo”: “Ich trinke und lade ein”. Wenige Stunden später kollidierte das Flugzeug, das ihn zurück nach Buenos Aires hatte bringen sollen, auf dem Flugplatz von Medellin mit einer anderen Maschine. Der spektakuläre Tod trug dem Künstler ein, was er mit seiner Musik nicht geschafft hatte: Schlagzeilen in der Weltpresse.
Wilde Spekulationen über die Ursache des Unglücks schossen ins Kraut, zumal ein Schuss zu hören war. Außerdem wurde eine Kugel im Körper von Gardel gefunden. Doch es hatte kein Duell gegeben oder gar einen Mordanschlag. Vielmehr hatte sich Hans Ulrich Thon, der deutsche Pilot der anderen Maschine, erschossen – weil er nicht bei lebendigem Leibe verbrennen wollte. Unglücksursache war übrigens wohl die Überladung der F 31.
Kaum weniger abenteuerlich gestaltete sich die Rückkehr des Sängers nach Buenos Aires. Die Regierung Uruguays hätte sein Grab gern in ihrem Land gesehen. Deshalb wurde er zunächst auf dem Friedhof San Pedro von Montevideo beigesetzt. Nach einigem diplomatischen Hin und Her wurde der Sarg schließlich wieder ausgegraben und am 17. Dezember per Schiff ans argentinische Ufer des Rio de la Plata gebracht. Für den Empfang hatten die Granden des Tango in Buenos Aires ein Komitee unter Vorsitz von Francisco Lomuto gegründet. Nach der Ankunft wurde er zunächst in der großen Sporthalle des Lunapark aufgebahrt. Am 6. Februar setzt sich bei ortsüblich hochsommerlichen Temperaturen eine vieltausendköpfige Prozession über die Calle de Corientes Richtung Friedhof in Bewegung.
Nach den Reden der Honoratioren spielte das Orchester von Roberto Firpo “Silencio” – erst instrumental, dann mit dem Gesang von Roberto Maida. (Von beiden gibt es leider keine Aufnahme auf YT. Deshalb habe ich mich für Gardels Filmversion entschieden.) Aber auch auf Chacarita fand “Carlitos” zunächst nur ein “Zwischenlager” im Pantheon der Künstler. Erst einen Monat später spendierte die Stadtverwaltung von Buenos Aires eine solitäre Doppelgrabstelle. Nun musste “nur” noch eine künstlerische Gestaltung realisiert und finanziert werden. Den Streit zwischen seinen früheren Managern schlichtete die Filmgesellschaft “Paramount” schließlich durch Übernahme von 30 Prozent der Kosten.
Um ein Haar hätte der Kreis sich geschlossen. Gardel und Piazzolla wären wenigstens musikalisch zusammen gekommen. Über die Jahrzehnte hat Astor Piazzolla immer wieder mit dem Gedanken gespielt, eine große Oper zu schreiben. Nicht nur eine “Operita”wie “Maria de Buenos Aires”. Die Hauptfigur dieses “Opus Magnum” konnte nur einer sein: Carlos Gardel. Organisatorische Vorbereitungen für den großen Wurf waren bereits getroffen. Der spanische Weltstar Placido Domingo wollte die Rolle übernehmen. Der Sänger hatte die Arbeiten an dem Projekt bereits in seinen prall gefüllten Terminkalender aufgenommen. Selbst für die Uraufführung war ein repräsentativer Anlass gefunden: 1992 im Rahmen der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Entdeckung Amerikas in Sevilla.
Auch Piazzolla, rastlos wie immer, wollte sich – endlich – einige Wochen Muße gönnen, um seinen Operntraum zu verwirklichen. Doch es wurde nichts draus. Am 5. August 1990 ereilte ihn in Paris ein Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Zwei Jahre später ist “El Gato” gestorben – “der Kater”, wie ihn sein Freund und Lehrer Anibal Troilo liebevoll nannte: Am 4. Juli 1992 in Buenos Aires. Seine Frau Laura Escalada hatte ihn nach einem Schlaganfall, den er zwei Jahe zuvor in Paris erlitten hatte, in die Heimat bringen lassen.
Wie hätte die Drossel wohl im Stil des Revolutionärs geklungen? Wir werden es nie erfahren. Aber es gibt einige Hinweise, wie Piazzolla sich dem Thema musikalisch genähert hatte. 1967 veröffentlichte er eine “Historia del Tango” – aufgenommen mit seinem damaligen Quintett und großem Orchester. Hier die Version von “Mi noche triste”.
Und wir wissen, wie es klingt, wenn Placido Domingo Stücke von Gardel singt, was er einige Male in seiner Karriere getan hat. Mehr als derlei Indizien haben wir nicht. Von direkten Vorarbeiten in Piazzollas Nachlass ist mir nichts bekannt. Der Traum bleibt also unvollendet. An uns bleibt es zu spekulieren.
(*) Was Gardels Leben angeht, verzichte ich in diesem Text auf Einzelnachweise. Außer dem umfangreichen Material, das die Website “Todotango” http://todotango.com bietet, stütze ich mich auf folgende Bücher: Simon Collier, The Life Music and Times of Carlos Gardel, Pittsburg 1986, 368 S., Rafael Flores, Unendlicher Tango, Stuttgart 2005, 228 S./ Außerdem noch eine Biografie von Terig Tucci, dem Orchesterleiter und Arrangeur seiner Filmmusiken: https://www.todotango.com/english/artists/biography/597/Terig-Tucci/
(1) Zum ersten Mal hab ich den Film 2014 auf der “Tangonale” gesehen, einem Festival, das Hans-Henner Becker in der Berliner UDA-Fabrik organisiert hat. Wer mag, kann alle seine Filme auf Youtube anschauen.
(2) Karin Betz, Gardel – Der bekannteste unbekannte des Tango, MIxcloud.com; Michael Lavocah, Tango Stories – Musical Secrets, Milonga Press 2012, S. 54, http://kroestango.de/aktuelles/doch-noch-zu-besuch-bei-den-toten/
(3) Zit. nach: Dieter Reichardt, Tango. Verweigerung und Trauer, Frankfurt/Main 198 , S. 308f.
2 Comments
Danke lieber Thomas !!!
Sooo schön und einfach, auf den Schwingen deiner Worte mit den Tönen und Bildern deiner eindrucksvollen Beispielwahl an den kleinen Geschichten der Großen zu schnuppern, die ‘unseren’ Tango geprägt haben !
Gut zu ahnen, dass da sicher noch mehr kommt von … . Ich freue mich drauf !!!
Vielen Dank für diesen Artikel, der viel Interessantes und Schönes beschreibt über Gardel und Piazzolla.
Super geschrieben.
Danke an Dich dafür Thomas
Michele