Nach dem erfolgreichen Konzertwochenende die Premiere der CD “Angel y Diablo” mit drei Titeln in einer Milonga. Vielen Dank an Benjamin Schubert für Freundlichkeit und Mut. Der stolze Vater und seine Ehefrau Sylvia haben es tanzend genossen.
Wo anfangen, wo aufhören mit dem Bericht über ein ungewöhnliches Konzertwochenende? Zwei Musiker, klassisch ausgebildet, an klassische Musik gewöhnt, haben sich erstaunlich schnell erst in den argentinischen Tango hinein gefunden. Dann das vielleicht noch größere Wagnis: Sie haben die Komfortzone des Konzertsaals verlassen und sich in die unruhige Umgebung einer Milonga gewagt – einer Tanzveranstaltung mit allen Nebengeräuschen vom Kommen und Gehen der BesucherInnen, über die Gespräche und das Klappern des Geschirrs. Nicht zuletzt: Die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, die sich der Musik auf eine ganz andere Weise zuwenden als ein Konzertpublikum. Und das kleine Wunder geschah: Es funktionierte. Alle gemeinsam haben eine ganz eigene Atmosphäre besonderer Konzentration geschaffen. Auch für den Fotografen Christian Duxa war es eine neue Erfahrung. Mit Bildern in (heutzutage ungewohntem) Schwarz/Weiß hat er sie auf seine Weise festgehalten, focussiert auf Musiker und Tänzer – in der Spannung des Auftritts und der Erleichterung danach. Ein besonderer Dank gilt Caroline Roling und Jürgen Kühne, die sich der ungewohnten Herausforderung gestellt haben, Tangoklänge von schwirrenden Harfensaiten in einer kleinen Showvorführungzu interpretieren. Jürgen Kühne hat die bewegte Zusammenschau der Bilder mit Musik von Laura Oetzel und Daniel Mattele unterlegt.
Das ist doch kein Tango… Stimmt, ist auch keiner. Na und? Claude Debussys wohl berühmtestes Stück, mit dem ich diesen Beirag beginne, fasziniert immer wieder auch Tangotänzer – an der Spitze Chicho Frumboli, einen der Granden des Tango Nuevo. Davon zeugen mehrere Videos auf Youtube (*). Als Jürgen Kühne “Clair de lune” in der Interpretation meiner Tochter Laura Oetzel und ihres Partners Daniel Mattele zum ersten Mal hörte, war für ihn schnell klar: Darauf möchte ich tanzen! Es hat dann eine Weile gedauert, ehe er das Vorhaben gemeinsam mit seiner Tanzpartnerin Caroline Roling realisieren konnte. (**) Umso mehr freut es mi h, dass sich aus dieser Idee eine kleine improvisierte Show für das erste Tangoprogramm des Harfenduos entwickelte. Ganz unschuldig bin ich daran wohl nicht. Vielen Dank lJürgen Kühne für die Bearbeitung des Videos.
Laura und Daniel erarbeiten jedes Jahr ein kammermusikalisches Programm, mit dem sie eine Tournee bestreiten. Das ist mit einigem Aufwand verbunden, denn mangels einschlägiger Literatur müssen sie alle Arrangements selbst schreiben. (***) Ich hatte die beiden schon öfter mit dem Vorschlag genervt: Macht doch mal ein Tangoprogramm! In diesem Jahr sind sie endlich weich geworden. Oder sollte ich besser sagen: Sie haben Feuer gefangen. Bereut haben sie es jedenfalls nicht. Denn die Chose ist so erfolgreich, dass sie zum ersten Mal ein Tour-Programm noch ein zweites Jahr spielen. Im Blog auf ihrer Website dokumentieren sie Highlights ihrer Auseinandersetzung mit dem für sie neuen Sujet. Auf diese Weise versuchen sie auch, ihr normalerweise auf klassische Musik geeichtes Publikum mitzunehmen.
Dazu gibt es nicht ihre erste (****), aber die mit dem bislang größten Aufwand produzierte CD – nicht live bei einem Konzert aufgenommen, sondern in einem Studio. Aus dem Programmheft für ihre Konzerte haben die beiden ein aufwändiges Booklet entwickelt. Wer sich ein Exemplar des Albums sichern möchte: Es kostet 15, – Euro, zuzüglich Versandkosten. Mehr dazu hinter diesem Link: https://www.dasharfenduo.de/wordpress/harfenduo/unsere-veroeffentlichungen/unsere-cd-ist-fertig
Feuer gefangen hat noch ein anderer, dem ich an dieser Stelle besonders für sein Interesse und seine Risikobereitschaft danken möchte: Fridolin Lützenschwab. (*****) Als ich ihm von dem Projekt des Harfenduos erzählte, wollte “El Tigre viejo” sie sofort als Live-Act für seine Milonga in der Berliner “Buchkantine” engagieren. Schnell war klar: Caroline und Jürgen sollten dazu tanzen – aber nicht nur sie. Fridolin wollte auch Harfenmusik zum “Tango social”. Eine Premiere für Laura & Daniel. Ob sie gezögert haben? Jedenfalls ließen sie sich nichts anmerken. So nahm das – jedenfalls in meinen väterlichen Augen – Wunder seinen Lauf. Durch die kleine Show mit der ungewohnten Musik bekannt gemacht, waren die Tangueras und Tangueros so schnell auf der Tanzfläche, wie ich es in Berlin nur selten erlebt habe. Volle Pista beim Harfentango! Die “Buchkantine” platzte ohnehin aus allen Nähten. Und Fridolins Gagenhut für die beiden MusikerInnen war gut gefüllt.
Offenbar ist mindestens ein Teil der Tänzerinnen und Tänzer nicht nur im Tangoloft (******) daran interessiert, ab und an etwas Neues kennen zu lernen.
Laura und Daniel haben sich übrigens nicht nur in für mich erstaunlich schneller Weise in ein neues musikalisches Genre eingearbeitet. Die neue Musik hat sie auch zu einer neuen Form des Konzerts angeregt. Sie collagieren Textelemente in den Fluß ihrer Musik – Stellen aus Tangos, aber auch Äußerungen wie jene, die diesem Beitrag den Titel gegeben hat. Aníbal Troilo zählte zu Astor Piazzollas Lehrmeistern. Er blieb ihm lebenslanger Freund. Aber er haderte mit seiner Musik. Deshalb seufzte er als Zeuge einer Probe einmal: “Nein, mein Junge, das ist kein Tango.” Mit grandiosem Gespür für Timing streut Daniel den Satz zwischen “Tango del Diablo” und “Romance del Diablo” in die “Serie del Diablo” ein – zu Überraschung und Freude des Publikums.
Das letzte Stück dieses Artikels ist übrigens sicher ein Tango. Sogar einer aus der Feder von Carlos Gardel, den Astor Piazzolla als Knabe in New York kennengelernt hat.
(*) https://youtu.be/vbHwI1hg9xQ aber auch schon 2008: https://youtu.be/DS5FqoEoEww
(**) Ich hab’ hier zwei Mal über die beiden geschrieben: http://kroestango.de/aktuelles/malen-tanzen-caroline-roling-und-juergen-kuehne/ und http://kroestango.de/aktuelles/bilder-aus-der-welt-des-tango-eine-doppelte-einfuehrung/
(***) https://www.dasharfenduo.de/wordpress/harfenduo/unser-alltag/wie-entstehen-unsere-arrangements/
(****) Nr. Eins heißt: Live aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar – Musik von Praetorius, Grieg, Lecuona und Andrès
(*****) http://kroestango.de/interviews/30-jahre-tango-in-berlin-ein-gespraech-mit-dj-fridolin/
(******) zum Beispiel: http://kroestango.de/aktuelles/von-fesseln-und-farben/
8 Comments
Ich war an dem Abend da. Die Musik war sehr schön! Und ich meine alles, nicht nur die klassische Tangos die sie gespielt haben, sondern Debussy und auch Piazzolla wurden sehr gut interpretiert. Ich hätte zu den klassischen Tangos auch getanzt aber die Tanzfläche war zu voll und dafür war mir lieber einfach zu zuhören und genießen. Ich muss aber sagen, dass man für solche art Live Musik auch eine gewisse Ruhe braucht und leider konnte man nicht vermeiden die Tassen, Teller und Gläser von der Bar und der Küche dabei auch zuhören. Aber gut, gehört du der Lokation. Meine Gratulationen zu den beiden Musikern und vielen Dank! Das war gut für die Seele… ein tolles Erlebnis.
Whow, vielen Dank lieber Pablo, das Lob eines tanzenden Musikers/musizierenden Tänzers wiegt besonders. Beim Konzert in der Kirche am nächsten Tag war dann die angemessene Ruhe. Ich hab die beiden bewundert, weil sie in der für sie ungewohnt rummeligen Atmosphäre die Konzentration bewahrt haben.
Lieber Pablo danke für Dein Feedback. Ja, manchmal ist es eben etwas voll und rumpelig in der Buchkantine. Inklussive Tassengeklapper und Gerüche aus der Küche. Vielleicht machst Du das nächste Mal noch einen Versuch in charmanter Begleitung. :–)
Lieber Pablo,
vielen Dank für das ganz besondere Lob! Für uns als „Klassiker“ war es eine ganz neue Erfahrung und Herausforderung, uns an ein Tango-Programm zu wagen. Auf der Harfe haben wir nunmal nicht alle Klangmöglichkeiten z.B. einer Geige oder eines Bandoneons. Besonders bei langen Liegetönen oder speziellen Klangeffekten mussten wir uns wirklich etwas einfallen lassen. Es freut uns, dass es Dir gefallen hat!
Herzliche Grüße
Laura & Daniel
Lieber Thomas vielen Dank für Deinen gut beoachteten und interpretierten Block. Du hast die Stimmung und auch den latenten Spannungsbogen, der diesmal über der Milonga in der Buchkantine lag gut beschrieben. Laura und Daniel haben wirklich eine intensive und gelunge Interpretation von Tangos verschiedenster Dynamik vorgestellt und haben dem Abend einen tragenden Rahmen gegeben. Und die Tango-Corwd auf der Pista -man darf nicht vergessen auch viele davon mit noch nicht so viel Tangoerfahrung- haben sich äußerst reif und souverän gezeigt, die ihnen jeweils möglichen Interpretation dieses filigran vorgetragenen Tangos zu tanzen. Ich war mir zwar sicher, dass mit Harfe vorgetragene Tangos eine sichere Bank sind, jedoch bis zum Schluss unsicher, wie dies in der Buchkantine, die schon einiges gewohnt ist, aufgenommen wird. Das war toll und großartig. Es ermutigt mich, weiterhin immer mal wieder ein gutes Risiko im Interesse spannender Grenzerfahrungen im Tango einzugehen. Es freut mich sehr, dass der Abend mit Laura und Daniel und den Gästen so gelungen ist. Sicher wird es auch für die beiden eine neue Erfahrung gewesen sein. Eine gute Verbindung von E- und U-Musik. Danke Dir, Thomas, für Deine Unterstützung im Vorfeld, Dank an Laura und Daniel, Respekt vor meinen Gästen in der Buchkantine, die sich als großherzig und offen für neue Erfahrungen gezeigt haben.Dies ist mir Ansport, weiter in diese Richtung zu gehen. Danke Pablo auch für Dein Feedback.
Ein schöner und mit Videos gut aufbereiteter Bericht von Dir, den ich gerne weiter geleitet habe.
Lieber Fridolin,
auch an dieser Stelle noch mal ein ganz dickes Danekschön und Kompliment für die souveräne Gestaltung des Abends. In der Buchkantine zu spielen war für uns eine ganz neue Erfahrung – aber eine wundervolle! Am Sonntag hatten wir zwar mehr „Ruhe“ und konnten uns genauer auf die Interpretation konzentrieren, dafür war die direkte Interaktion mit den Tänzern in der Milonga etwas ganz Besonderes (Auch wenn die Interaktion ein paar Zentimeter mehr Sicherheitsabstand hätte vertragen können 😉 ).
Herzliche Grüße
Laura & Daniel
Es war eine wunderbare Erfahrung und Herausforderung zugleich, Tango Argentino zu ungewohnten Harfenklängen zu tanzen, die den unzähligen filigranen Saiten schwirrend, mal gezupt mal angeschlagen, entlockt wurden, zumal spannend arrangiert vom Harfenduo. Dank an Laura und Daniel für dieses einmalige Klangerlebnis und natürlich auch an Fridolin für diesen Abend in seiner Buchkantine…
Also auch ich war begeistert ! Von der professionellen, gleichzeitig begeistert einfühlsamen Harfenmusik, von dem passenden Mix des beschlipsten, immer freundlich aufmerksamen Fridolin und der Möglichkeit, nach allem zu tanzen (obgleich ich noch Wunden “lecke” an Schienbein und Fuß). Faszinierend auch, wie bei der überaus feinsinnig und lebendig gespielten Cumparsita der Geräuschpegel schlagartig sank und sich eine meditative Stimmung im ganzen Raum ausbreitete! Danke allen für Orga und Ausführung !